RE:Baumwolle

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kulturpflanze
Band III,1 (1897) S. 167 (IA)–173 (IA)
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Antike Nomenclatur

Baumwolle. Antike Nomenclatur. Unserem Worte ‚Baumwolle‘ entsprechen in erster Linie [168] die antiken Bezeichnungen ἔριον (ep. und ion. εἴριον) ἀπὸ ξύλου (vgl. Herod. III 47, 106. VII 65. Pollux VII 75; Theophr. h. pl. IV 7, 7: δένδρα ἐριοφόρα) und lana arborea (Plin. n. h. XII 38: arbores lanigerae). Der wirkliche Name der B.-Pflanze bei den Hellenen und Römern war gossypinus (Ableitung unsicher, vgl. Leunis Synops. II.³ II 322, 14) oder gossipion (gossypium) oder ξύλον (= lignum, Plin. n. h. XII 39. XIX 14), vollständig ἐριόξυλον; vgl. Digest. XXXII 70, 4. 9. Die Sanskritbezeichnung für ‚Baumwollenstrauch‘ ist karpâsî, für ‚Baumwolle‘ karpâsâ, vgl. Brandes Über das Zeitalter des Geogr. Eudoxos. Über die antiken Namen und die geographische Verbreitung der B. im Altertum, Leipzig 1866, 102 (= 5. Jahresber. des Vereins von Freunden d. Erdkunde in Leipzig, 1865, 91ff.). Murr Die Pflanzenw. i. d. gr. Myth. 206. Dieser Name scheint schon frühe nach Spanien gedrungen zu sein, wahrscheinlich durch die Phoinikier (vgl. Hehn Kulturpfl. u. Haustiere⁵ 147), wo bei Tarrakon ein Stoff fabriciert wurde, der den indischen Namen carbasus führte. Plinius, der sogar zu glauben scheint, dass die carbasa in Spanien erfunden seien, rühmt ihre tenuitas mirabilis (n. h. XIX 10). Übrigens ist bei der Deutung des griechischen κάρπασος, lateinisch carbasus, die grösste Vorsicht geboten, vgl. Brandes a. a. O. 102f. Die Alten haben keineswegs immer die Stoffe scharf unterschieden, so dass die Zahl der Stellen, wo mit dem eben genannten Worte zweifelsohne die B. gemeint ist, relativ klein ist. Immerhin sind Stellen wie Strab. XV 719. Peripl. mar. er. 41. Schol. Aristoph. Lys. 733 (736). Curt. VIII 9, 21. 24. Lucan. III 239 nicht misszuverstehen und gehen mit Sicherheit auf die B., mindestens aber auf ein feines orientalisches Gewebe, wie Musselin oder Nanking, welches viel B. enthält, vgl. Ritter Erdk. IV 1, 436. An zahlreichen Stellen bedeutet κάρπασος oder carbasus ganz allgemein so viel wie Zeltbekleidung, Vorhang, Segel, feiner Stoff, Charpie u. dergl., ohne dass sich Specielleres über die Art des Stoffes erschliessen lässt. Da die Alten dazu neigten, in der B. eine Art Leinen zu erblicken (Plin. n. h. XIX 14. Prop. IV 3, 64: carbasa lina), so sind unter κάρπασος sicher oft genug Flachsproducte zu verstehen. In den semitischen Sprachen heisst die B. nach Josephus (ant. Iud. III 153) Keton, χεθών; davon franz. coton, engl. cotton, ital. cotone oder bambagio (bambagia), hebr. ketonet, arab. kutn. Viel gestritten worden ist über die Bedeutung von βύσσος oder byssus. Forsters Ansicht (Liber singularis de bysso antiquorum, London 1776), wonach byssus allenthalben mit B. identisch sei, muss nach den Auseinandersetzungen von Yates Textrinum antiquorum, London 1843, 267ff. für widerlegt gehalten werden, wenn auch nicht alle Argumente, die Yates vorbringt, ohne weiteres zu unterschreiben sind. Wenn er z. B. sagt, bei Herodot (VII 181), wo ein Verwundeter verbunden wird mit Streifen σινδόνος βυσσίνης, könne dieser Ausdruck nicht auf die B. gehen, weil letztere zu solchem Zwecke unbrauchbar sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass nach den allerneuesten Erfahrungen auf dem Gebiete der Heilkunde aus B. bereitete Watte sich als Verbandmittel gut bewährt und hinter der [169] leinenen Charpie nicht wesentlich zurücksteht. Am überzeugendsten wird die Annahme älterer Natur- und Altertumsforscher, wie Forster, Heeren, Böttiger, Hartmann, Sprengel, Blumenbach u. s. w., βύσσος bedeute durchweg ‚B.‘, widerlegt durch die chemische und mikroskopische Untersuchung der Zeugstreifen, mit denen die alten ägyptischen Mumien umwickelt sind. Mit den besseren Hülfsmitteln der neueren Wissenschaft ist nämlich (vgl. Yates a. a. O. 256–264 gegen Rosellini Monumenti II 1, 333ff.) das gesicherte Resultat gewonnen worden, dass sich bei den allerältesten Dynastien der Stoff als Schafwolle, von der 12. Dynastie an aber als Leinfaser darstellt, nicht als B.; vgl. Brugsch Allgem. Monatsschrift 1854, August 633. Hehn Kulturpfl.⁵ 136. Die Streifen aber, die zum Umwickeln der Mumien gebraucht wurden, nennt Herodot (II 86) τελαμόνες σινδόνος βυσσίνης; vgl. Joseph. a. a. O. Daraus ergiebt sich unzweifelhaft, dass wenigstens Herodot mit B. eine Art Leinen bezeichnet hat, vgl. Lassen Indische Altertumsk. I 250, 2. Alles in allem ist die Deutung des byssus als ‚feines Leinen‘, bezw. feiner gelblicher Flachs entschieden vorzuziehen (vgl. Poll. VII 75. Paulin. ad Cytherium in Max. bibl. patr. VI p. 264. Philo de somn. I 37. Isidor. orig. XIX 22, 15. 27, 9. Philostr. vit. Apoll. 20. Yates a. a. O. 274ff.), nur dass, wie so oft, wenn es sich um antike Terminologie handelt, irrtümlich byssus hie und da auch einmal gesagt worden sein mag, wo man die B. meinte: es ist also ein wechselnder Sprachgebrauch anzunehmen. ‚Baumwollstoffe und feines Linnen mögen in Sprache und Verkehr nicht immer unterschieden worden sein‘ Ηehn a. a. O. 137. Oft genug mögen auch gemischte Stoffe in der Weise hergestellt worden sein, dass die Einschlagfäden aus B. bestanden, dagegen die Aufzugs- oder Kettenfäden aus Leinwand. Eine in Iudaia gezogene βύσσος-Art war übrigens weder Flachs noch B.; Näheres darüber bei Movers Die Phönizier II 3, 1 p. 218f. Über die Bedeutung von βύσσος handelt mit erschöpfender Benutzung der alten Litteratur eingehend und besonnen Brandes a. a. O. 96ff. ‚In Hellas und Rom einheimisch und in der Bedeutung sicher war daher der Ausdruck βύσσος jedenfalls nicht, obwohl man annehmen darf, dass derselbe in den meisten Fällen (richtiger wäre: ‚in manchen Fällen‘) auf die B. bezogen werden darf‘; Brandes a. a. O. 100; mehr s. unter Byssos. Das Wort linum hat in der Hauptsache entschieden einen Leinenstoff, bezw. ein Flachsfabricat bezeichnet. Aber man nahm es nicht immer allzu peinlich damit. So bedeutet vestes lineae bei Plinius n. h. XII 25 ohne Zweifel ‚baumwollene Kleider‘, vgl. Plin. n. h XIX 14. Arrian. Ind. 16. Gegen die zwar geistreiche, aber unhaltbare Vermutung Ritters, σινδών und ὀθόνη (ὀθόνιον) bezeichneten beide ausschliesslich die B., das erste Wort käme von Sindhu = Indus, und ὀθόνη gehöre zu arabisch kutn (= Coton, Kattun), so dass die Ware benannt wäre nach dem Orte ihrer Entstehung, bezw. nach ihrem Handelswege, wandte sich mit Recht schon Movers Die Phönizier II 319; vgl. Marquardt Privatl. 472. Denn abgesehen davon, dass namentlich die letztere Etymologie bedenklich erscheinen muss, steht fest, dass beide Worte [170] vielmehr ganz allgemein ‚ein Stück Zeug oder Tuch‘ bedeuten, nicht selten insbesondere auch fertige Stücke, z. B. die Art eines Kleidungsstückes, nicht aber den Stoff. Letzterer kann allerdings bei genannten Worten auch B. sein (so notwendig bei Theophr. h. pl. IV 7, 7. Strab. XV 693), aber ebenso oft etwas ganz anderes, z. B. Linnen (Auson. ephem. parecb. 2: lintea sindon) oder Byssus oder Pinnafaser; vgl. Brandes a. a. O. 105. Nach Strabon (a. a. O.) wurden aus der indischen B. die εὐήτριοι σινδόνες gewebt (schön und fein gewebte Stoffe), vgl. Eustath. ad Dionys. Perieg., Geogr. Gr. min. II 400. 620. Theophr. a. a. Ο.: ἐξ οὗ τὰς σινδόνας ὑφαίνουσι. Die im Periplus des roten Meeres mehrfach erwähnten indischen σινδόνες und ὀθόναι werden natürlich in der Hauptsache für B.-Zeuge zu halten sein. Über die ὀθόνη bei Homer vgl. Hehn 139.

Beschreibung der Pflanze

Beschreibung der Pflanze. Die B.-Staude (Gossypium L.) gehört in die Familie der Malvaceen und ist die Erzeugerin einer der wichtigsten Waren des Welthandels. Sie ist ausgezeichnet durch die von langen, fadenförmigen Haaren (B.) eingehüllten, erbsengrossen Samen in einer 3–5klappigen, walnussgrossen Kapsel. Zur Zeit der Reife quillt die Wolle als flaumartiger, faseriger Stoff (lana, lanugo) aus der Kapsel hervor und dehnt sich bis zur Grösse eines Apfels aus. Sind die Kapseln aufgesprungen, so werden sie abgepflückt und getrocknet, die weisse (bis gelbe) B. wird herausgenommen, mittels Walzen von den Samen gereinigt und kommt alsdann in den Handel, Theophr. h. pl. IV 4, 8. 7, 7. Strab. XV 693f. Poll. VII 75. Arrian. Ind. 16. Plin. n. h. XII 25. 38. 39. XIX 14. Ihre Arten sind teils Sträucher, teils ausdauernde oder häufig nur einjährige Kräuter und werden jetzt in den wärmeren Ländern der ganzen Erde angebaut; vgl. Leunis Synops. II. Teil II³ § 515, 11. Lenz Bot. d. a. Gr. u. R. 637. Die Höhe, die von den B.-Gewächsen erreicht wird, ist je nach der Art (Gossypium herbaceum und arboreum) und je nach den Boden- und Klimaverhältnissen sehr verschieden; daher auch die Alten teils von δένδρα reden (arbores) – δένδρον bezeichnet oft blos ‚hohes Gewächs‘ – teils von frutices. Der Ausdruck serere, den Plinius n. h. XII 25 gebraucht, passt offenbar nur auf die B.-Staude. Die Blätter sind nach Theophrast und Plinius den Weinblättern ähnlich (passt auf Gossypium herbaceum). Die Frucht wird hinsichtlich der Form und Grösse mit einer wälschen Nuss verglichen (Poll. VII 75. Plin. n. h. XIX 14) oder mit einem Apfel (Theophr. h. pl. IV 7, 7. Plin. n. h. XIX 15) oder mit einem Kürbis von der Grösse einer Quitte (Plin. n. h. XII 38. XIX 15); vgl. Billerbeck Flora class. 177.

Heimat und Verbreitung

Heimat und Verbreitungsbezirk. III 106 erzählt Herodot von Indien: ‚Auch tragen daselbst die wilden Sträucher als Frucht eine Wolle, die an Feinheit und Güte weit über die Schafwolle kommt; wie denn auch die Indier von diesen Bäumen ihre Kleider haben‘; ähnlich VII 65. Plin. n. h. XII 39. Varro bei Serv. Aen. I 649. Philostrat. vit. Apoll. III 15. Mela III 62: lanas silvae ferunt (in Indien). Die B. galt also schon zu Herodots Zeit mit vollem Rechte als ein Product [171] Ostindiens, welch letzteres als die ursprüngliche Heimat des Strauches zu gelten hat; Theophr. h. pl. IV 7, 8. Strab, XV 693. Peripl. mar. erythr. 41. Philostr. vit. Apoll. II 9 (vgl. Phot. bibl. p. 324 Bekker). Poll. VII 75. Brandes a. a. O. 109. Nur im tropischen Asien und Africa fand sich die B.-Staude ursprünglich wild. Sie verlangt ein feuchtwarmes Klima mit einer mittleren Temperatur von 15–20°. Gossypium herbaceum L. wächst noch jetzt in Ostindien wild, während Gossypium arboreum L. sein Vaterland im tropischen Africa hat, wo es (z. B. in Oberägypten, Abessinien und Oberguinea) noch jetzt wild vorkommt; vgl. Leunis Synops. II. Teil I³ § 324, 4, 2. Ganz besonders reich an B. Gewächsen war die im arabischen Meerbusen gelegene Insel Tylos, deren B.-Producte den indischen sogar vorgezogen wurden; Theophr. h. pl. IV 7, 7. Plin. n. h. XII 38. Ferner Persien, Palaestina (Herzog-Plitt Realencyclopädie I 116. VIII 33. Hehn 137. Movers Die Phönizier II 219), Arabien (Theophr. a. a. O. Plin. n. h. XIX 15 – eine B. tragende Baumart in Arabien hiess cyna, nach Forster eine Bombaxart, Plin. n. h. XII 39 –), Äthiopien (Verg. Georg. II 120. Plin. n. h. XIII 90) und Ägypten (Plin. n. h. XIX 14. Poll. a. a. O. Brandes a. a. O. 101). Die Stadt Hierapolis in Koilesyrien (Plin. n. h. V 81. 89) hiess mit einem alten einheimischen Namen Mabog oder Bambyke = Baumwollenstadt, vgl. Forbiger Alte Geogr. II 85. 643 (Bombyx zend. pembeh wird nicht nur vom Seidenstoff gebraucht, sondern gelegentlich auch von seidenartiger B., z. B. Plin. n. h. XIX 14). Sicherlich hat sich die B.-Kultur von Indien aus auf dem Seewege westwärts verbreitet (nach Vorderasien und Europa). Die Griechen erhielten die feinsten Musseline aus dem Gebiete des Ganges. In erster Linie sind es sicher die Phoinikier gewesen, welche den Anbau der B. allenthalben an den Küsten des Mittelmeeres, übrigens vielleicht auch im Gebiete von Karthago, unternahmen. Bald lieferte auch die Insel Kos vorzügliche Gewebe, und auf Malta errichteten die Karthager Manufacturen, deren weiche und feine Stoffe sie den africanischen Völkern zuführten. In Ägypten war um 550 v. Chr. die B.-Weberei bereits kunstreich ausgebildet. Die Griechen erlangten eine genauere Kenntnis der B. wahrscheinlich erst durch die Orientzüge Alexanders d. Gr.; wenigstens ist vor dieser Zeit das griechische Wort κάρπασος, das dem sanskritischen karpâsâ nachgebildet ist, nirgends zu finden. Auch die Römer sind, wenngleich viel später (wohl erst seit den asiatischen Kriegen, etwa 190 v. Chr.) mit der überaus nützlichen Kulturpflanze bekannt geworden. Der erste Römer, der das Adjectiv carbasinus gebraucht, ist der Komiker Caecilius Statius (bei Non. p. 548, 14). Gossypium herbaceum L. heisst neugriechisch τὰ Βαμβάκι (vgl. Fraas Synops. pl. fl. cl. 102) – pelasg. pumbak, -ku und karíkiè, -èa die Samenkapseln. Die B. wird jetzt in Griechenland häufig und im grossen kultiviert, namentlich in Boiotien, bei Lamia, Misolungi, Argos, in Messenien, auf Andros und Aigina. Leider ist die B. zumeist kurzstaklich und von geringer Qualität; vgl. v. Heldreich Die Nutzpfl. Griechenlands 52; Pflanzen d. att. Ebene = Griech. Jahresz. Heft V 596. Ob, wie [172] manche annehmen, schon im alten Elis die B.-Staude kultiviert worden ist, muss dahingestellt bleiben, da aus Pausanias VI 26, 6 (25, 5) wegen der Unsicherheit der Nomenclatur etwas Bestimmtes leider nicht zu erschliessen ist.

Verwendung

Verwendung. Da die B.-Pflanze im Altertum vorzugsweise in Ostindien und Oberägypten heimisch war, werden wir nicht fehl gehen mit der Annahme, dass auch die Fabrication, wenngleich keineswegs ausschliesslich, so doch in der Hauptsache, wenigstens in der allerfrühesten Periode, an Ort und Stelle erfolgt ist. Ein grosser Teil der B. diente schon im rohen Zustand zum Polstern, Wattieren, Verpacken u. s. f. Der grössere Teil indessen wurde gesponnen und entweder als Garn oder zum Weben verschiedener Zeuge verwendet. Leider erfahren wir weder über die Behandlung des Rohstoffes noch über das Spinnen und Weben Genaueres. Dass die B. als Rohmaterial auch massenhaft aus Indien exportiert wurde, steht fest; zu Garn gesponnen ward sie besonders in Ozone und Thina; vgl. Peripl. mar. erythr. 49. 64. In dem uralten Kulturstaate Ägypten, wo die B. sehr hoch geschätzt wurde, fertigte man aus ihr Kleider für die ägyptischen Priester (Plin. n. h. XIX 14). Joseph erhielt von Pharao als Geschenk ein baumwollenes Gewand. Schon im 6. Jhdt. fand in Ägypten die B. kunstreiche Verwendung. So berichtet Herodot (III 47), der König Amasis habe den Lakedaimoniern einen Brustharnisch geschenkt, in dem jeder Faden, obgleich selbst fein, 360 Fäden (wohl mit Rücksicht auf die rund 360 Tage des Jahres) enthalten habe, die einzeln zu erkennen gewesen seien. In dem Harnisch seien Tierfiguren eingewebt und er sei ausgeschmückt gewesen mit Gold und Β. (εἰρίοισι ἀπὸ ξύλου). Die alten Indier bekleideten sich teils mit Leinen, teils mit B.; vgl. Herodot. III 106. Arrian. Ind. 16. Serv. Aen. I 653. Mela III 63. Strab XV 719. Plin. n. h. XII 25. 39. Curt. VIII 9. Lassen Ind. Altertumsk. I 250. Die ξύλινα ἱμάτια der Inder, die ausser bei Herodot (VII 65; εἵματα ἀπὸ ξύλων πεποιημένα) in einem Ktesiasfragment vorkommen (ed. Müller p. 84), werden wohl mit Recht auf die B. bezogen, nicht auf den Baumbast. Ausser in Indien wurden B.-Fabricate besonders in Arabien angefertigt, überhaupt in den Küstenländern des persischen und arabischen Meeres, vgl. Plin. n. h. XII 39. Peripl. mar. erythr. 36. In China scheinen zwar B.-Gewebe zu den Zeiten des Kaisers Yao (um 2300 v. Chr.) hergestellt worden zu sein, aber dass die B. damals schon in China kultiviert wurde, ist wenig wahrscheinlich, da die Chinesen noch sehr viel später B. aus Indien holten. Bedeutend waren Handel und Industrie in der B.-Branche sicher auch bei den Phoinikiern, ferner bei den Hebraeern und Syriern. Tyrus und Sidon waren berühmt als Fabricationsplätze von B.-Zeugen. Es ist überhaupt unzweifelhaft, dass die meisten Kulturvölker des Altertums sich nicht nur der Wolle und Leinwand, sondern auch der B. zu Bekleidungsstoffen bedient haben; vgl. Brandes a. a. O. 92. Weshalb hätten sie sich auch die in mehr als einer Beziehung vorteilhafte Benutzung des von der Natur bequem dargebotenen Faserstoffes entgehen lassen sollen? Das griechische Wort τύλη bedeutet polsterartige Unterlage, Pfühl, [173] Unterbett, Kopfkissen u. drgl. Nun bedeutet aber im Sanskrit tula soviel wie ‚rohe B.‘ Darnach liegt die Vermutung nahe, dass man vielfach im Altertum allerlei Kissen und Unterlagen mit B. gestopft haben wird. Dass die makedonischen Soldaten auf dem Zuge Alexanders schon so verfuhren, bezeugt Nearch bei Strabon (XV 693). Die B.-Industrie scheint in förmlichen Fabriken geblüht zu haben, so in Tralles in Karien, in Antinoupolis in Ägypten und im syrischen Damaskos; vgl. Ed. Diocl. XVIII 46. Selbst auf Malta, einer phoinikischen Colonie, die später in den Besitz der Karthager gelangte, gab es weithin bekannte Fabriken feiner Zeuge. Die Melitensia (sc. vestimenta) und vestis Melitensis (darunter auch Decken, Teppiche u. drgl.) werden von Cicero wiederholt erwähnt, z. Β. in Verr. II 176. 183. IV 103; vgl. auch Varro bei Non. p. 539, 27. Diod. V 12. Hesych. s. Μελιταῖα. Wahrscheinlich bildete die B. einen Hauptteil des daselbst verarbeiteten Materials. In Hellas hat die B.-Industrie keinesfalls früh bestanden. Sie scheint übrigens nur in Elis (Hauptfabrikplatz Patrai in Achaia) von einiger Bedeutung gewesen zu sein, vorausgesetzt, dass wir unter βύσσος bei Pausanias (V 5, 2. VI 26, 6. VII 21, 14) und Plinius (XIX 21) die B. zu verstehen haben, was hier zwar nicht unwahrscheinlich, aber doch nicht erwiesen ist. In der römischen Kaiserzeit gehörte B. mit zu den Waren, die bei Einführung nach Italien versteuert werden mussten; vgl. Dig. XXXIX 4, 16, 7.

Literatur

Im allgemeinen vgl. Yates Textrinum antiquorum, Lond. 1843, 334–354. Blümner Technol. I 187f. Marquardt Privatleben 470–474. Ritter Über die geogr. Verbreitung der B. und ihr Verhältnis zur Industrie der Völker alter und neuer Zeit, Abh. Akad. Berl. 1851, 297–359. Brandes Über das Zeitalter d. Geogr. Eudoxos. Über die antiken Namen und die geographische Verbreitung der B. im Altertum, Leipzig 1866, 71–119. Royle Culture and commerce of cotton in India, Lond. 1851. Reybaud Le coton; son régime, ses problèmes, son influence en Europe, Paris 1863. Todaro Relazione sulla cultura dei cotoni in Italia, Rom 1878. Jannasch Die europäische B.-Industrie, Berl. 1882.