RE:Artaxerxes 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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I., Sohn v. Xerxes_I.
Band II,1 (1895) S. 13111314
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1) Artaxerxes I., nach den rationalisierenden griechischen Schriftstellern (Deinon? bei Plut. Artax. 1, 1, vgl. Pollux II 151. Corn. Nep. de [1312] reg. 1, 3. Synk. p. 478ff. Hieron z. J. 1553 Abr.), weil er eine grössere rechte Hand hatte, wahrscheinlicher ursprünglich symbolisch (vgl. Poll. a. O.) Μακρόχειρ (Longimanus, ,Langhand‘, ,Weitherrscher‘) genannt, war der Sohn des Xerxes I. und der Amestris und gelangte 464 v. Chr. durch eine Palastrevolution auf den Thron. Die Einzelheiten der Umwälzung lassen sich nicht mehr feststellen; die drei erhaltenen Berichte des Ktesias (bei Phot. Cod. 82 § 29f., vgl. Diod. XI 69. Ael. var. hist. XIII 3), Aristoteles (Pol. VIII [V] 1311 b) und Iustin (III 1 Deinon?) weichen in den Motiven und der Ausführung von einander ab; nur soviel ist sicher, dass durch den Befehlshaber der Leibgarde Artabanos (vgl. Phanias bei Plut. Them. 27, 2) und andere Hofbeamte zuerst der König Xerxes, dann angeblich auf A.s Befehl Xerxes ältester Sohn Dareios, den man des Mordes bezichtigte, umgebracht wurden. Danach scheint A. sofort die Regierung übernommen und, als Artabanos auch ihn bedrohte, diesen beseitigt zu haben. Auch die übrigen Mörder des Xerxes wurden bestraft (Diod. XI 71, 1).

Der persische Königskanon (vgl. Clinton Fast. Hell. II³ 378ff.) setzt diesen Regierungswechsel in das 283. Jahr Nabonassars Dec. 466–Dec. 465 (vgl. Diod. XI 69, 6 u. J. 465/4 = Ol. 78, 4) und rechnet als A.s erstes Regierungsjahr das 284. Nab. = Dec. 465–Dec. 464, von den Chronographen (African. bei Synkell. p. 478 Bonn. Euseb. bei Hieron. z. J. 1552 Abr. Ol. 78, 4 = 465/4) wird Artabanos eine siebenmonatliche Regierung zugewiesen, die aber, wenn sie überhaupt richtig ist, wohl nur als eine Art von Reichsverweserschaft angesehen werden kann; der Kanon schlägt die Zeit zu der Regierung des Xerxes I. (Clinton z. J. 465). Die Palastrevolution und Artabanos Sturz führte auch noch zu weiteren Kämpfen (Ktes. a. O. 30). Unmittelbar dadurch wurde wahrscheinlich ein Aufstand in Baktrien, das A.s Bruder Hystaspes verwaltete (Ktes. 31, vgl. Diod. XI 69, 2), mittelbar 463 die Erhebung des Inaros (s. d.) in Ägypten veranlasst (Ktes. 32. Diod. XI 71, 3, vgl. Thuk. I 104, 1). Mit dieser ägyptischen Empörung verquickte sich sehr bald ein neuer Kampf gegen Athen, das eben durch die Schlacht am Eurymedon (465) einen glänzenden Erfolg errungen hatte. A. hat unter diesen schwierigen Verhältnissen, soweit wir nachkommen können, mit Geschick und Energie die Regierung, namentlich die auswärtige Politik, geleitet oder leiten lassen (vgl. u. und Diod. XI 71, 1. 2). Dass er nebenbei Sultanslaunen zeigte, dass Haremswirtschaft an seinem Hofe herrschte und namentlich die Königsmutter Amestris und seine Schwester Amytis, die Frau des Megabyzos (s. u.), grossen Einfluss besassen (Nöldeke Aufs. z. pers. Gesch. 1887, 56), ist sehr wohl damit zu vereinigen. Der Ruhm persönlicher Tapferkeit und Stärke (Corn. Nep. de reg. 1, 3) mag übertrieben sein – andere rühmten seine Milde und seinen edlen Sinn (Plut. Artax. 1) –, auch können wir den persönlichen Anteil des Königs an der Regierung nicht genau bestimmen jedenfalls hat sich A. bedeutender kriegerischer Erfolge rühmen können. Er war auch ein leidenschaftlicher Jäger (Ktes. 40).

Als A. eben die Regierung angetreten hatte, [1313] meldete sich der flüchtige Themistokles an seinem Hofe und bat um Schutz und Aufnahme (Thuk. I 137, 3. Charon v. Lamps. bei Plut. Them. 27, 1); A. nahm ihn freundlich auf, er beschenkte ihn sogar mit dem Fürstentum von Magnesia und Myus (Thuk. I 138, 6; s. Themistokles), um so das Maeanderthal gegen griechische Angriffe zu sichern. Weiterhin erforderte der ägyptische Aufstand die Aufbietung der gesamten Reichsmacht. 461 erschien auf das Hülfsgesuch des Inaros eine grosse athenische Flotte unter Kimon vor Kypros und griff von hier aus siegreich auch unmittelbar in Ägypten ein. Noch ehe die Athener anlangten, hatte Inaros allein die persischen Truppen unter des Königs Oheim Achaimenes geschlagen, jetzt wurden die Reste in die Citadelle von Memphis gedrängt und dort belagert. Darauf entsendete A., nachdem er vergeblich bei Sparta Unterstützung gesucht hatte, 459 ein neues Heer unter Artabazos und Megabyzos, das mit mehr Glück kämpfte, Memphis entsetzte, die Athener einschloss und Anfang 455 gegen freien Abzug zur Ergebung zwang. Auch eine zweite athenische Flotte, die Nachschub bringen sollte, wurde abgefangen und vernichtet (Thuk. I 104. 109. 110. Diod. XI 71. 74. 75. 77. Ktes. 32–35, vgl. Herod. III 12. 160. VII 7. Isokr. VIII 86. CIA I 433 = Hicks Man. 19 = Dittenberger Syll. 3. Aristodem. 11. Ael. var. hist. V 10. Suid. s. ἔσχε). Ägypten war unterworfen, nur in den Sümpfen hielt sich noch der Fürst Amyrtaios (s. d. Nr. 3).

Trotz der entscheidenden Niederlage, die die Athener erlitten hatten, griff 450 ein starkes athenisches Geschwader unter Kimons persönlicher Führung Kypros abermals an und erfocht auch, als Kimon plötzlich starb, einen grossen Seesieg. Jetzt entschloss sich A. zu Unterhandlungen. Er schickte 449 die beiden Feldherren aus dem ägyptischen Kriege, Artabazos und Megabyzos, als Gesandte nach Athen, eine athenische Gesandtschaft unter Kallias (s. d.) antwortete und vermittelte im Winter 449/8 den sog. kimonischen Frieden, in dem Persien und Athen ihre Herrschaftssphären für einige Zeit abgrenzten: Athen verzichtete auf Kypros und Ägypten, Persien auf die Westküste Kleinasiens (Thuk. I 112. Diod. XI 86, 5. XII 2, 3. 3. 4. 26, 2. Plut. Kim. 18. 19. vgl. 13, 4–6. Corn. Nep. Cim. 3, vgl. Herod. VII 151. Theop. bei Harpokr. s. Ἀττικοῖς γράμμασι und Art. Kimon).

Über die zweite Hälfte von A.s vierzigjähriger Regierung sind wir noch mangelhafter unterrichtet, wie über die erste. Sehr bald nach Abschluss des kimonischen Friedens empörte sich Megabyzos in Syrien, angeblich weil wider sein gebenes Wort Inaros und ein Teil der Griechen, die in Ägypten in persische Gewalt gekommen waren, später doch hingerichtet wurden. Nachdem die königlichen Feldherrn Usiris und Menostates vergeblich versucht hatten, den Aufstand niederzuwerfen, kam es wesentlich durch Amestris und Amytis Verwendung zu einem Vergleich (Ktes. 36–39, vgl. Thuk. I 110, 3. Nöldeke Aufs. z. pers. Gesch. 56). Später fiel Megabyzos abermals in Ungnade, söhnte sich aber nach einigen Jahren auch wieder mit dem Könige aus (Ktes. 40. 41).

Ägypten ist nach ewigen Schwankungen endgültig [1314] unter Persiens Oberhoheit geblieben (Wiedemann Geschichte Ägyptens v. Psametich I. bis Alexander d. Gr. 1884, 257ff.). Den Frieden mit Athen scheint man auch persischerseits eine Reihe von Jahren sorgfältig beobachtet zu haben; nur Doriskos in Thrakien blieb wie früher von den Persern besetzt (Herod. VII 106). Seit dem Ende der vierziger Jahre zeigen aber die persischen Statthalter Vorderasiens wieder Neigung, die griechischen Küstenstädte von neuem in ihre Gewalt zu bringen: 440 hilft Pissuthnes von Sardes bei der Empörung von Samos gegen Athen (Thuk. I 115, 4, vgl. Plut. Per. 25, 2. 3. Schol. Aristoph. Wesp. 283); Perikles fürchtet sogar einen Entsatzversuch der persischen Reichsmacht (Thuk. I 116, 3. Diod. XII 27, 5. Plut. Per. 26, 1. Schol. Aristoph. a. O.); 430 greifen Itamenes und Pissuthnes in Kolophon ein (Thuk. III 34, vgl. 31, 2. Aristot. pol. VIII [V] 1303 b). Um diese Zeit empört sich Megabyzos Sohn Zopyros (s. d.) und flieht nach Athen, findet aber in Kaunos ein rasches Ende (Ktes. 43, vgl. Herod. III 160). Als der peloponnesische Krieg entbrannt war, versuchte es zunächst Sparta, mit A. anzuknüpfen (Thuk. II 67, 1–3, vgl. IV 50, 1). Später verhandelten auch die Athener, doch kam es zu keiner Entscheidung, weil A. Ende 425 oder Anfang 424 starb (Thuk. IV 50, 2. 3. Diod. XII 64, 1 u. J. 425/4 = Ol. 88, 4, vgl. Aristoph. Acharn. 61–125 m. Schol.).

Als A.s letztes Regierungsjahr rechnet der Kanon der persischen Könige das 324. Jahr Nabon. = Dec. 425–Dec. 424, doch sind dabei die Zwischenregierungen des Xerxes II. und Sogdianos (s. d.) mit eingerechnet (Clinton Fast. Hell. 378). So erklären sich dann die 41 Regierungsjahre, die der Kanon A. giebt. Ebenso scheint Africanus bei Synkellos p. 478 Bonn. zu rechnen, der freilich trotzdem die Regierungen des Xerxes und Sogdianos mit 2 bezw. 7 Monaten zählt. An sich richtig ist auch der Ansatz Diodors (XI 69, 6. XII 64, 1) 40 Jahre, d. h. ohne das Jahr des Xerxes und Sogdianos, richtig wahrscheinlich auch der des Ktesias 43: 42 Jahre; man wird eben da ausser dem Jahr des Xerxes und Sogdianos noch das des Artabanos (vgl. o.) hinzuzunehmen haben.

Wann A. am Königspalast in Susa hat bauen lassen (Spiegel Keilinschr. S. 69) ist nicht festzustellen.

Von A.s Frauen werden eine rechtmässige Gattin Damaspia und mehrere Nebenfrauen Alogune, Audia, Kosmartidene, von Nachkommen ein ebenbürtiger Sohn, sein Nachfolger Xerxes, und 17 Nebensöhne erwähnt. Wir kennen Arsites, Bagapaios, Ochos (den späteren König Dareios II.), Sogdianos, endlich eine Nebentochter Parysatis (Ktes. 44, vgl. Plut. Artax. 1). Die von einem Teil der Überlieferung (Joseph. ant. Iud. XI 6ff., vgl. Synk. 473. Euseb. b. Hieron. z. J. 1553 Abr.) unter A. Makrocheir verlegte Geschichte der Esther gehört vielmehr unter Xerxes (s. d.).