RE:Anastasios 1

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
I., Flavius, Byzantinischer Kaiser
Band I,2 (1894) S. 2065 (IA)–2067 (IA)
Anastasios I. in der Wikipedia
GND: 118645099
Anastasios I. in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register I,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I,2|2065|2067|Anastasios 1|[[REAutor]]|RE:Anastasios 1}}        

Anastasios. 1) Flavius Anastasius I., byzantinischer Kaiser 491–518 n. Chr. Er wurde um 431 n. Chr. zu Dyrrachion (Epidamnos) geboren und stammt aus einer Familie untergeordneten Ranges; erst nach seiner Thronbesteigung wurde seine Abkunft von Pompeius Magnus hergeleitet (Prisc. de laude Anast. 10–11). Im Palastdienste zu Constantinopel erlangte er die Stellung eines Silentiarios, zeigte sich in dieser Stellung als ein Mann von untadelhaftem Charakter und fand allgemeines Vertrauen; auch die Kaiserin Ariadne begünstigte ihn. Als am 9. April 491 der Kaiser Zeno der Isaurier gestorben war und gegen Longinus, Zenos Bruder, der zur Regierung zu gelangen hoffte, allgemeine Abneigung herrschte, gelang es Ariadne, Senat und Volk für A. zu gewinnen, so dass derselbe am 11. April 491 zum Kaiser ausgerufen wurde. Nur der Patriarch von Constantinopel, Euphemios, widersetzte sich der Erhebung des A. auf den Thron, weil A. im Verdachte stand, ein Anhänger der Lehre des Eutyches zu sein; erst nachdem A. das schriftliche Versprechen gegeben hatte, in der Kirche keine Neuerungen einzuführen und die Beschlüsse des Concils von Chalkedon (451) als Glaubensnorm anzuerkennen, wurde er am 14. April 491 gekrönt. Bald darauf vermählte er sich mit der Kaiserinwitwe Ariadne. Welches Vertrauen das Volk in seine Unbescholtenheit setzte und wie hoffnungsvoll es seinen Regierungsantritt begrüsste, beweist der Zuruf, mit dem ihm das Volk zujubelte, als er zum erstenmale im kaiserlichen Schmucke im Circus erschien: Ὡς ἔζησας, οὕτω καὶ βασίλευσον, δέσποτα (Cedren. p. 357). Allein diese Hoffnungen gingen nicht alle in Erfüllung: wenn auch Priscian das Glück seiner Regierung preist, so gehört doch die Regierung des A. nicht zu den glücklichsten Zeiten der byzantinischen Geschichte. A. war bereits 60 Jahre alt, als er den Thron bestieg, und den schwierigen Zeitverhältnissen nicht gewachsen; doch war er vom besten Streben erfüllt und hat sich Verdienste um das Reich erworben. Vom Anfang an hatte er mit grossen inneren und äusseren Schwierigkeiten zu kämpfen: zuerst gegen die Anhänger des Longinus, die Partei der Isaurier. [2066] Die Erhebung wurde unterdrückt, Longinus selbst nach Alexandrien verwiesen, dort zum Presbyter geweiht und starb sieben Jahre später. Im J. 492 wurden sämtliche Isaurier aus Constantinopel verbannt und brachten ihre Landsleute in Kleinasien zum Aufstande unter Führung des Linginines. Der isaurische Krieg wurde erst im J. 497 durch Iohannes Skytha und Iohannes Κυρτός mit der gänzlichen Überwältigung der Isaurier beendet (Euagrios III 35 = FHG IV 141, 6. Prokop. anecd. VI 2. Marcellin. chron. ad ann. 492. 497. Theophan. p. 213, 11. Ioannes Antioch. FHG V 214 b). Bereits 493 erfolgte der erste Zusammenstoss mit den Bulgaren, die ihre Einfälle in die Donauländer fast jährlich wiederholten, so besonders 499 und 502 (Hopf Griechenland im Mittelalter und der Neuzeit 78f.). Im J. 502 brach ein Krieg mit den Persern unter Kabades aus, der für die byzantinischen Grenzländer Armenien und Mesopotamien sehr verderblich war, bis 506 Frieden geschlossen wurde: die Perser gaben gegen Zahlung einer grossen Geldsumme alle Eroberungen zurück, und die alte Grenze wurde wiederhergestellt (Prokop. Pers. I 7–10. Euagrios III 37 = FHG IV 142, 6. Malala p. 398, 11). Im J. 498 wurden die Arabes Scenitae, welche die Euphratgegend verwüsteten, von Eugenios unterworfen (Priscian. de laude Anast. 254–60. Euagr. III 36). Zum J. 511 erwähnt Ioann. Antioch. frg. 214 d eine Bewegung in Paphlagonien; damit ist wohl die erste Invasion der Hunnen gemeint, über deren zweite im J. 515 Ioann. Ant. frg. 214 e und Marcell. chron. ad ann. 515 berichten. Zum Schutze der Grenze gegen Persien gründete A. die Stadt Dara, befestigte Theodosiupolis und begann auch Melitene mit einer Mauer zu umgeben (Prokop. de aedif. II 1. III 4. 5). Zum Schutze der Hauptstadt selbst wurde im J. 507 die Mauer von Selymbria an der Propontis bis Derkon am Pontus aufgeführt (Prokop. anecd. 19, 2; de aedif. IV 9. Priscian. 183–192). Was das Verhältnis zum weströmischen Reiche betrifft, schloss A. im J. 498 einen Vertrag mit Theoderich und übersandte ihm die ornamenta Palatii, welche Odoaker nach Constantinopel geschickt hatte (Prokop. bell. Goth. III 21. Ranke Weltgesch. IV 1, 492). Schwieriger noch als die auswärtigen Conflicte waren für A. die kirchlichen Beziehungen: A. erlaubte sich die Aufstellung einer Formel, welche von dem strengen Wortlaute des Concils von Chalkedon abwich. Es kam zu Verhandlungen mit dem Papste Hormisdas (514–523), doch führten diese zuletzt zum Bruche. Als nun in Constantinopel die monophysitische Partei bei dem ‚Trishagion‘ die Worte einschaltete ὁ σταυρωθεὶς δι’ ἡμᾶς und der Kaiser dies gestattete, kam es 511 zum Aufruhr: der Kaiser erschien ohne Krone im Circus und erklärte, er wolle die Regierung niederlegen; so wurde das Volk versöhnt. Aber bald brachen die Zwistigkeiten wieder aus, indem sich der Kaiser auf die Seite der Monophysiten stellte: zum Schutze der Orthodoxen erhob sich Vitalianus in Verbindung mit den Hunnen unter Tarrach, 514. Mit 60 000 Mann drang er gegen Constantinopel vor, schlug die kaiserlichen Truppen und zwang den Kaiser im J. 515 zu einem Vertrage, [2067] in welchem die Zurückberufung der abgesetzten Bischöfe und völliges Festhalten an den Beschlüssen des Concils von Chalkedon ausgesprochen, dem Vitalianus eine hohe Geldsumme zugesichert wurde (Ioann. Antioch. frg. 214 e. Marcellin. chron. ad ann. 514. 515). Im J. 518 erhob sich Vitalianus zum drittenmale und hatte bereits den Hafen Sosthenion eingenommen, als A. am 1. Juli 518 starb. Prokop sagt von ihm (bell. Pers. I 10): δρᾶν γὰρ ἀνεπισκέπτως οὐδὲν ἠπίστατο οὔτε εἰώθει und (anecd. XIX 2) προνοητικώτατός τε ἅμα καὶ οἰκονομικώτατος πάντων αὐτοκρατόρων; ebenso lobt Ioann. Antioch. frg. 214 b § 1 seine gute Verwaltung. Das grösste Verdienst erwarb er sich durch die Aufhebung der Gewerbe- und zugleich Kopfsteuer, welche unter dem Namen Chrysargyrum schwer auf der Bevölkerung lastete, im J. 501 (Theodor. Lect. p. 566 D. Priscian. 150–170. Euagr. III 39. 42. Cedren. p. 357f.). Durch verständige Sparsamkeit gelang es ihm trotz der grossen Ausgaben für die Sicherung der Grenzen und der Zahlungen an die Barbaren (Ioann. Antioch. frg. 215) seinem Nachfolger Iustinus einen Schatz von 320 000 Pfund Gold (= 332 250 000 Francs) zu hinterlassen. Habsucht wird ihm vorgeworfen bei Ioann. Antioch. frg. 215 und in zwei Epigrammen (Brunck Anal. III p. 135f. nr. XVI und XVII = Jacobs Anth. Gr. IV p. 103f.). Er hat zahlreiche Constitutionen erlassen, die sich auf Staats- und Privatrecht beziehen. Hervorzuheben ist die lex Anastasiana vom J. 506 (Cod. Iust. IV 35, 22: mandati), welche bestimmt, dass der Cessionar, wenn die Cession einen Kauf zu ihrem Grunde hat, keine grössere Summe von dem Schuldner einzufordern berechtigt sein soll, als er selbst dafür gegeben hat (Puchta Instit. II § 267); ferner wären hervorzuheben die auf das Militärwesen sich beziehenden Constitutionen: Cod. Iust. XII 38 (37), 16–19 de erogatione militaris annonae, zu denen Specialedicte inschriftlich erhalten sind: CIG 5187 aus Ptolemais, Le Bas III 1906 aus Bostra und 2033 aus Motha (vgl. Abhandl. Akad. Berl. 1863, 284f. Ber. d. Berl. Akad. 1879, 134f.).

Litteratur: Endlicher Prisciani de laude imperatoris Anastasii, Wien 1828. C. Hopf Griechenland im Mittelalter und der Neuzeit, 1867 (in Ersch und Gruber Encycl. I Bd. 85. 86). Gibbon History of the Decl. and Fall of the Roman Empire 1875, 646f. Ranke Weltgeschichte IV 1, 390f. IV 2, 3f. Bury A history of the later Roman empire from Arcadius to Irene 2 voll. London 1889 (mir nicht zugänglich gewesen).

[Oehler. ]