BLKÖ:Jókai, Moriz

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Jókai, Rosa
Band: 10 (1863), ab Seite: 246. (Quelle)
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Jókai, Moriz, nach Einigen Maurus (ungarischer Romandichter, geb. zu Komorn 1825). Entstammt einer adeligen protestantischen Familie; sein Vater Joseph (gest. 1837) war Fiscal und seine Mutter Maria (gest. 1856) ist eine geborne Palay. Jókai besuchte die Schulen zu Komorn, Pápa und Kecskemet. Sein poetisches Talent erwachte früh; als Knabe mit 6 Jahren schrieb er Verse, von denen Proben in der Zeitschrift „Regélő“ abgedruckt erschienen. Später jedoch wendete er sich von der rhythmischen Behandlung der poetischen Stoffe ab und schrieb nur in Prosa. Auf der Schule in Pápa, 1841, befreundete sich Jókai mit Alexander Petöfi und Samuel Petrics-Orlay. Diese Verbindung trug nicht wenig zur geistigen Ausbildung der drei strebsamen Jünglinge bei, deren jeder, so jung sie waren, die Preise des Pápaer Ausbildungs-Vereins, Petöfi und Petrics für Gedichte, Jókai für seine Novelle: „Isten itélet“, d. i. Das Gottesgericht, erhielt. Im Jahre 1843 kam Jokai nach Pesth und hat sich daselbst bleibend niedergelassen. Bajza [Bd. I, S. 127] und Vörösmarty haben den vielversprechenden Dichter liebevoll aufgenommen. Ein Drama: „Zsidó fiu“, d. i. Der Judenjunge, welches er 1844 der Akademie eingereicht, wurde von derselben mit der ehrenden Belobung ausgezeichnet; 1846 – 21 Jahre alt – gab er seinen ersten Roman „Hétkőznapok“, d. i. Die Wochentage, heraus. Auch trat er im genannten Jahre dem von Petöfi gegründeten Vereine der „Dezemvire“ bei, der im Jungungarn eine reformirende Fortschrittspartei, wie etwa das junge Deutschland in den Dreißiger Jahren, repräsentirte. In dieser Zeit erschienen von ihm in den magyarischen belletristischen Journalen, Novellen und Erzählungen, die seinen Namen bald bekannt und seine Arbeiten beliebt machten. Im Jahre 1847 übernahm er endlich selbst die Redaction der 1842 von Frankenburg gegründeten und tonangebenden Wochenschrift „Életképek“, d. i. Lebensbilder. Das Jahr 1848 warf aber wie so manches andere auch dieses Blatt über den Haufen, und der Romantiker Jókai wurde wie viele Andere Politiker. Bevor er jedoch die Redaction des „Pesti Naplo“, wie es im Werke war, übernahm, flüchtete er anfangs 1849 mit dem Reichstage nach Debreczin, wo er die Zeitschrift „Esti lapok“, d. i. Abendblätter, begründete, welches die Partei Madarás und ihr maßloses Organ „Der fünfzehnte März“ mit Humor geißelte. Nach der Waffenstreckung von Villagos kehrte J. nach Pesth zurück und kam in kriegsrechtliche Untersuchung, welche jedoch nur von kurzer Dauer war. Seit dieser Zeit lebt Jókai, der sich schon im Jahre 1848 mit der berühmten dramatischen Künstlerin Rosa Láborfalvi Benke [s. die Folgende] vermält hatte, ausschließlich der Literatur, und schrieb anfänglich unter dem Namen Sajó, später unter eigenem. Den Winter über bringt er in Pesth zu, im Sommer aber lebt er auf seinem Landhause im Ofener Gebirge auf dem sogenannten „Schwabenberge“. Obgleich J. in seinen Romanen, Novellen und Erzählungen Menschen und Gegenden aller Zeiten und Länder mit einer bewunderungswerthen Genauigkeit schildert, ist er doch aus seinem engeren Vaterlande noch nicht herausgekommen, und war sein weitester Ausflug eine Reise nach Siebenbürgen, die er 1855 unternahm und die von Dorf zu Dorf einem Triumphzuge glich. Diese Thatsache seinen Romanen gegenüber gestellt, die sich in aller Welt abspielen, beurkundet einen Reichthum der Fantasie ohne Gleichen. Von frühester Zeit mit einem nicht gewöhnlichen Kunsttalent begabt und besonders geschickt in Darstellung [248] charakteristischer Karikaturen[WS 1], wie auch niedlicher Schnitzereien, übt er beides in Stunden der Muße zu seinem Vergnügen und zu jenem seiner Freunde. Im J. 1859 ist J. von der ungarischen Akademie zum Mitgliede und im Jahre 1860 im Baranyaer Comitate im Wahlbezirke Siklós in den ungarischen Reichstag gewählt worden. In demselben stimmte er in der denkwürdigen Adreßdebatte [vergleiche das Nähere darüber in der Biographie Jámbor, S. 60 d. Bds.] nach der am 24. Mai 1861 gehaltenen Rede mit der Beschlußpartei, [siehe S. 251 die Quellen] Jókai hat, obgleich erst 38 oder nach Anderen schon 40 Jahre alt, als Schriftsteller eine erstaunliche Fruchtbarkeit entwickelt. Einer seiner Biographen, und zwar der in der Beilage des „Hölgyfutár Arczképalbum“ hat sich die Mühe genommen, die Buchstaben seiner Werke zu berechnen, und hat gefunden, daß dieselben in (damals) 45 Bänden, mit 611 Bogen, die Summe von beiläufig 15,275.000 Buchstaben ausmachten. Diese Zahlen verschwinden aber gegen die neueste Berechnung, welcher zu Folge die Gesammtzahl der Werke Jókai’s in einer erst 15jährigen Thätigkeit – das in den Zeitschriften, Albums, Almanachen und sonst zerstreut Gedruckte nicht gerechnet – die Summe von 102 Bänden weit übersteigt. Jókai’s Werke sind außer dem oberwähnten Drama und der Pápaer Preisnovelle in chronologischer Folge: „Hétköznapok“, d. i. Wochentage, Roman in 2 Bdn. (Pesth 1846); – „Vadon virágai“, d. i. Die Blumen der Wildniß. 2 Bde. (Pesth 1847, 2. Aufl. 1852); – „Forradalmi csataképek“, d. i. Kriegsbilder der Revolution. 2 Bde. (Pesth 1850); deutsch einmal unter dem Titel: „Schlachtfelderblüthen“ (Leipzig 1850, Mathes, 8°.); das andere Mal unter d. Titel: „Kampf- und Schlachtenbilder“ (Pesth 1851, Geibel, 8°.); englisch unter d. Tit.: „Hungarian sketches in War and Peace. Translated by Emeric Szabad“ (London 1855, 8°.); – „A bujdosó naplója“, d. i. Eines Flüchtlings Tagebuch (Pesth 1850); – „Hangok vihar után“, d. i. Klänge nach dem Gewitter (ebd. 1850); – „Erdéky aranykora“, d. i. Siebenbürgens goldenes Zeitalter. 2 Bde. (ebd. 1851, n. A. 1853, 1855, 1860); – „A két szarvu embér“, d. i. Der Doppeltgehörnte (Pesth 1852, n. A. 1859); – „Török világ Magyarországon“, d. i. Türkenwelt in Ungarn. 3 Bände (Pesth 1853, n. A. 1854 und 1859); deutsch von Wilhelm von Chézy (Wien 1855, mit 28 Illustrationen), früher ein Feuilleton der „Presse“; – „Egy magyar Nábob“, d. i. Ein ungarischer Nabob. 4 Bde. (Pesth 1854, n. A. 1856, 1858 und 1860), deutsch von A. Dux. 4 Bde. (Pesth 1857); französisch unt. d. Tit.: „Un Nabob hongrois“. 2 Bde. (Brüssel 1860); – „Halil Patrona“, d. i. Patrona Halil. Roman aus dem Krimkriege. 2 Bde. (ebd. 1853); deutsch unt. d. Tit.: „Die weiße Rose“ von Dr. Max. Falk (Pesth 1854) und „Der Kampf am Balkan“ von L. Papp (im Arader Anzeiger 1854), und von einem ungenannten Uebersetzer in der Agramer Zeitschrift „Luna“; – „A magyar nemzet története Mohácsig“, d. i. Die Geschichte der ungarischen Nation bis Mohács (ebd. 1854, neue Auflage mit 17 Bildern, nach Geiger ebd. 1860); – „Janitsárok vegnapjai“, d. i. Die letzten Tage der Janitscharen. 2 Bde. (ebd. 1854); – „Karpáthi Zoltán“, d. i. Zoltan Karpathi, 4 Bde. (ebd. 1854, n. A. 1856, 1860), eine Fortsetzung des ungarischen Nabob; deutsch in Emich’s Neuestem [249] belletrist. Lesecabinete; – „Erdélyi képek“, d. i. Siebenbürgische Bilder. 2 Bde. (ebd. 1853); – „Török mozgalmak 1730-ban“, d. i. Die türkischen Unruhen im Jahre 1730 (ebd. 1854); – „A magyar előidőkből“, d. i. Aus Ungarns Vorzeit. 2 Bde. (ebd. 1854); – „Véres könyv. Csataképek a jelenkori háboruból“, d. i. Das blutige Buch. Schlachtbilder, aus dem gegenwärtigen (Krim-) Kriege. 3 Bde. (Pesth 1855); – „Tarka élet“, d. i. Bunte Bilder. 2 Bde. (ebd. 1855); darin schildert Jókai unter anderem auch Scenen aus Petöfi’s Leben; – „A magyar nép adomái“, d. i. Anecdoten des ungarischen Volkes (ebd. 1856), zum Theile aus der Sammlung des Galeotus; – „Elátkozott család“, d. i. Die fluchbeladene Familie. 2 Bde. (Pesth 1856); zuvor im Pesti naplo; – „Dé lvirágok“, d. i. Südblumen (ebd. 1856); – „Árnyképek“, d. i. Schattenbilder (ebd. 1856); – „A régi jó táblabirók“, d. i. Die guten alten Gerichtstafelbeisitzer. 3 Bde. (ebd. 1855, n. A. 1858, 1860); deutsch von T(itus) Kárffy (Pesth 1856, Emich); – „Szomoru napok“, d. i. Traurige Tage (ebd. 1856); – „Oceania“, d. i. Oceania. Geschichte eines untergegangenen Welttheils (ebd. 1856); auch deutsch im Feuilleton eines Wiener Journals; – „Népvilag“, d. i. Volkswelt. 2 Bde.; – „Kakas Marton tolltaraja“, d. i. Des Martin Kakas Kritzeleien. 2 Bde. (ebd. 1860); „Dekameron. Száz novella“, d. i. Decameron, hundert Novellen (ebd. 1859–1861); sie enthalten kürzere Novellen, von denen viele übersetzt in deutsche Unterhaltungsblätter übergegangen sind; – „Szegény gazdagok“, d. i. Die armen Reichen. 4 Bde. (ebd. 1860); deutsch in den Wiener „Neuesten Nachrichten“ 1860 erschienen; im 4. Bande befindet sich noch eine Novelle, betitelt: „Az utólsó Budai basa“, d. i. Der letzte Ofner Pascha. Außer diesen selbstständigen Romanen und geschichtlichen Erzählungen erscheint eine Volksausgabe seiner gesammelten Schriften unt. d. Tit.: „Munkai“, d. i. Werke. (Pesth 1858 u. f.), wovon bereits 23 Hefte ausgegeben wurden, und welche neben mehreren schon gedruckten Romanen auch neue, wie „Die Krone für die Liebe“, „Die Tochter des Wolfgang Petki“, „Carinus, der Bierbrauer“ u. m. a. enthält. Ferner sind von Jókai noch erschienen : „Kakas Marton politikai költeményei“, d. i. Des Martin Kakas politische Gedichte (Pesth 1861); – seine am 24. Mai 1861 anläßlich der Adreßdebatte gehaltene Rede, einmal allein unt. d. Tit.: „Országgyülési beszéd“, das andere Mal mit jener des Baron Friedrich Podmaniczky zusammen unt. d. Tit.: „Jokai Mor és Podmaniczky Frigyes beszédei; und drei Bände Dramen u. d. T.: „Szinmüvek“ (ebd. 1860). Unter diesen befinden sich die Dramen „A hulla férje“, d. i. Der Gatte des Leichnams; „Dalma“, „Malius Sinister“. In jüngster Zeit bewarb er sich um den von Anastas Tomory für das beste ungarische geschichtliche Drama ausgeschriebenen Preis von 100 Stück Ducaten, und obgleich die Commission keines der eingeschickten Werke des Preises würdig fand, erkannte es doch denselben Jókai’s „Könyves Kálmán“ und Hegedüs „Bibor és gýasz“ als den besten unter den gelieferten zu. Auch dürfte Jókai der Herausgeber des „Kakas Márton naptára“, d. i. Des Martin Kakas Kalender sein, eines humoristischen Jahrbuchs, das seit ein paar Jahren (in Pesth bei Heckenast) erscheint. Früher redigirte er auch zwei Jahrgänge eines großen [250] Bilderkalenders. Ist schon diese Thätigkeit staunenerregend, so ist überdieß nicht zu vergessen, daß ein großer Theil seiner kleineren Arbeiten zerstreut in Journalen gedruckt ist, so daß schon im Jahre 1857 Friebeiß 3 Bände gesammelter Novellen von Jókai herausgegeben hat; daß Jókai das Theaterorgan „Delibab“ und die in Tausenden von Exemplaren verbreitete Sonntagszeitung „Vasarnápi ujság“ fast allein redigirt. Daß bei solcher Productivität der künstlerische Gehalt seiner Arbeiten leide, wird jeder leicht begreifen und selbst von seinen Landsleuten bedauert, daß aber und auch in[WS 2] jenen Arbeiten, die mit sichtbarer Hast hingeworfen sind, ein ganzer Dichter stecke, der im Augenblicke weder in geistiger Richtung noch in seiner Productivität sich mit irgend einem andern vergleichen lasse, ist allgemein anerkannt. In letzterer Zeit erlitt der Dichter durch den Tod seiner Tochter Rosa, welche im Lenze ihres Lebens (20. November 1861) starb, einen schmerzlichen Verlust. In neuester Zeit meldeten die Journale aus Pesth, daß er und Ferdinand Graf Zichy von dem k. k. Militärgerichte im Preßprocesse des „Hon“ zu einjährigem schweren Kerker in Eisen und zum Verluste des Adels verurtheilt worden, von dem Militärcommandanten aber die schwere Kerkerhaft in Profoßenarrest von gleicher Dauer verwandelt worden sei.

I. Quellen zur Biographie. Magyar irók arczképei és életrajzaj, d. i. Bildnisse und Lebensbeschreibungen ungarischer Schriftsteller (Pesth 1858, Gustav Heckenast, 4°.) S. 35 [mit Porträt]. – Válkai (Imre), Irodalmi s müvészeti Daguerreotypek. Magyar irók s művészek ismertetése, d. i. Literarische Biographien (Wien, Sommer, 8°.) S. 51–58. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntagszeitung (Pesth, gr. 4°.) 1857, Nr. 10: „Biographie Jokai’s“, von Albert Pakh [mit Porträt]. – Hirmondó. Ujság a magyarnép számára (Pesth, schm. 4°.) 1860, Nr. 20: „Biographie mit Porträt“ [nach diesem geb. 1824]. – Ujabb kori ismeretek tára, d. i. Neues ungarisches Conversations-Lexikon (Pesth 1852, 8°.) Bd. IV, S. 550 [nach diesem geb. 1823]. – Családi kör, d. i. Der Familienkreis (Pesth, 4°.) 1860, Nr. 2, mit lithogr. Porträt. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und Joseph Danielik (Pesth 1856, Gust. Emich, 8°.) S. 230. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és leszármazási táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1859, Moriz Ráth, 8°.) Bd. V, S. 347. – Lugoser Anzeiger, IV. Jahrg. (1861), Nr. 22 [nach diesem geb. 1825]. – Zeit-Bilder (Unterhaltungsblatt, 4°.), herausgegeben in Pesth von Sigmund, 1861, Nr. 16, S. 249: „Biographie mit Porträt“ – Pester Lloyd 1861, Nr. 273. – Ungarns Männer der Zeit. Biografien und Karakteristiken hervorragendster Persönlichkeiten (Prag 1862, A. G. Steinhauser, 8°.) S. 203. – Der ungarische Reichstag 1861 (Pesth 1861, Carl Osterlamm, 8°.) Bd. I, S. 371. – Allgemeine Zeitung (Stuttgart, Cotta, 4°.) Jahrg. 1857, Beilage Nr. 183: „Maurus Jókay und überhaupt der Roman in Ungarn“. – Mußestunden (Wien, 4°.) 1862, Nr. 3, S. 35: „Moriz Jókai“, von Sigmund Bródy [auf S. 33 sein Porträt].[BN 1]
II. Porträte. Außer den in den vorbenannten Quellen verzeichneten, Porträten in Holzschnitt und Lithographie sind noch erschienen: 1) Steindruck in Engel und Mandello’s Druckerei in Pesth (gr. 4°.). – 2) Mit Facsimile der Unterschrift: Jókai Mór. Barabas 1854. J. Rauh’s lith. Kunstanstalt in Wien (kl. Halb. Fol.), Beilage zum „Hölgyfutár“ 1854. – Auch erschien im Wiener Kunst- und Industrie-Comptoir eine Photographie J.’s in gr. 8°., und eine zweite in Visitkartenformat von Simonyi in Pesth (in Commission bei Lauffer und Stolp und bei Mor. Ráth in Pesth).
III. Gedichte auf Jókai. Deren sind an diesen genialen, ja genialsten Poeten Ungarns in magyarischer Sprache bereits viele erschienen; das in deutscher Sprache von Heinrich Brunner in den (Wiener) „Neuesten Nachrichten 1861, Nr. 115, an ihn gerichtete Gedicht ist bemerkenswerth.
[251] IV. Jókai als politischer Charakter. Seine Rede anläßlich der Adreßdebatte ist sein politisches Glaubensbekenntniß. Ohne sich zu seinen Ansichten zu bekennen, oder seine politischen Anschauungen zu billigen, muß man gestehen, daß der Ton, den er in jener Rede anschlägt – in welcher er noch dazu mit der Beschlußpartei zusammengeht – so maßvoll, so anständig ist, daß sie von den oft pöbelhaften Ausbrüchen der vielen anderen Redner grell absticht und daß man von ihrem Redner sagen kann, „ein jeder Zoll ein Dichter“, ebenso der illusorischen Anschauungen, als der ästhetischen Fassung und Redeweise wegen. Jókai hält dafür, „daß es unmöglich sei, daß die ungarische Nation sich der Person ihres Königs nähere, wenn dieser vom Ministerium eines fremden Landes umgeben ist, und anstatt der eigenen verfassungsmäßigen Regierung jenes Ministerium den Ungarn im Wege steht. Beide sind Zugbrücken, nur ist erstere eine aufgezogene, letztere eine herabgelassene Brücke“. – „Ich drückte mich schlecht aus“, fährt Jókai fort, „wenn ich von dem Ministerium eines fremden Landes sprach, ich hätte sagen sollen das Ministerium eines nicht existirenden Landes“ (!!!). Jókai der Poet sagt: „Das Wort „Oesterreichischer Gesammtstaat“ ist eine Chimäre. Es gibt in Oesterreich böhmische, polnische, deutsche wie ungarische Patrioten; aber das Wort österreichischer Patriot hat noch keinen Repräsentanten gefunden. (Oho!) Oesterreich hat ehrgeizige Feldherren, herrschsüchtige Minister, speculirende Handelsleute, eine Schaar auf ihre Stellung eifersüchtiger Beamten, es hat Zeitungsschreiber, aber es hat keine Patrioten. (Oho!) Für das Wort „Gemeinstaat“ begeistern sich nur Diejenigen, die daraus Nutzen ziehen, nicht dafür Opfer bringen wollen“ (das ist eine rein poetische Anschauung). – Als weiterer Grund, warum keine Adresse votirt werden könne, ist für Jókai „die Nichtanwesenheit der Deputirten Siebenbürgens“. Er behandelt es als eine wesentliche Frage, ob die ungarische Nation, von Siebenbürgen getrennt, an ihren Fürsten eine Adresse richte, oder ob sie zu Beschluß gebe, daß sie, so lange das Schwesterland gewaltsam von ihr getrennt sei, stumm bleiben wolle; so lange eine ihrer Hände gebunden, könne sie sich mit der anderen nicht bewegen“ (ein selbst poetisch hinkendes Gleichniß). Jókai meint, „die Ungarn können warten und wollen warten. Auf Unterhandeln könne die Nation sich nicht einlassen. Somit gebe es nur zwei Fälle: entweder will der Monarch uns Alles geben, oder er will uns nichts geben, denn zwischen diesen beiden Fällen gibt es keinen annähernden Punct (wieder eine poetische Fiction). Im ersten Falle haben die Ungarn durch das Drängen den Monarchen, im zweiten sich selbst gedemüthigt“. – Jókai ist weit entfernt, von der österreichischen Regierung die Belebung Ungarns zu verlangen. „Ungarn“, sagte er, „lebt und besitzt das Bewußtsein des Lebens; es besitzt seine Institutionen, die man ihm wohl immer wegnehmen kann, die man ihm aber nicht zurückzugeben braucht, denn sobald die Gewalt aufhört, ist ja Ungarn von selbst im Besitze seiner Constitution.“ Jókai leugnet nun nicht, daß dieß in der Monarchie ein Dualismus sei, aber daß dieser Dualismus mit der Auflösung der Monarchie gleichbedeutend sei, das scheint ihm eine leere Behauptung. „Der Dualismus Oesterreichs erscheint ihm ein zweiarmiger Riese, während das einheitliche . Oesterreich ein krankes Ungeheuer ist, das sich selbst verschluckt hat und nicht zu verdauen vermag.“ Jókai führt nun einige Beispiele an, zu Folge welchen die Monarchie zur Zeit des Dualismus ihre geschichtlichen Glanzpuncte erreicht, während ihrer vollständigen Uniformität aber nur Demüthigungen erlitten habe. Nun diese Beispiele hat auch Jókai’s blendende Phantasie zusammengestellt und der Poet dem Politiker ein Schnippchen geschlagen; die Geschichtskenntniß des Staatsmannes bringt andere und wichtigere Ergebnisse. In solchen Phantasiegebilden ergeht sich die Deputirtenrede Jókai’s, und in der That, er mochte es selbst fühlen, daß er mehr Poet, als Deputirter sei, als er seine Rede mit den Worten begann, „daß er auf diesem Gebiete in jeder Beziehung ein Neuling sei“. Wahrhaftig, man glaubt ihm dieß gerne. Was er aber sprach und wenn es das Verwegenste und Unhaltbarste war, er sprach es mit Anstand, kurz als Ungar, der zu den Ersten seiner Nation zählt.
V. Zur literarischen Kritik Jókai’s. Ein ungarischer Kritiker schreibt über Jókai: „Er ist nicht bloß Schriftsteller, sondern er ist wahrhafter Poet. Im Humor steht er den besten englischen, in der Anmuth den lieblichsten französischen Schriftstellern nicht nach, während sein Ernst auf wirkliche dramatische Kraft hinweist. Sein Genie ist allüberall, und wie [252] ein Sonnenstrahl dringt es durch jede Ritze. Dabei ist jedes seiner Worte eigenthümlich, und er in seiner originellen Individualität weder nachahmbar noch weniger aber übertreffbar. In einer Zeile, in einem hingeworfenen Bilde gibt er oft eine ganze Geschichte, läßt er ein ganzes Seelenleben auftauchen. Er schreibt viel und flüchtig, aber auch das Flüchtige ist in einer oder der andern Hinsicht noch immer interessant, ja oft bedeutend, trefflich, hinreißend, schön. Seine dem ungarischen Leben entnommenen Typen sind voll Wahrheit, sind Fleisch und Blut, und noch mehr: sie sind ungarisch an Seele und Gemüth. Als Naturdichter, immer in kurzen aber stets künstlerischen Strichen im Nu ein Tableau hinzaubernd, das selbst Jemand, der jene Gegend nicht sah, im Gedächtnisse behalten kann, dürfte er kaum von irgend Jemand übertroffen werden. Was Jókai, wie einer seiner Biographen schreibt, nicht aus Autopsie weiß, all’ das weiß der Dichter durch jenes wunderbare Divinationsvermögen, das uns anderen Menschenkindern völlig unerklärlich ist. Nicht nur daß Jókai, wie nie einer vor ihm, seiner Heimat Wesen erfaßte und auch der Ausländer aus seinen Werken „ein Stück ungarischen Himmels und ungarischen Treibens“ kennen lernt, auf ebenso interessante als angenehme Weise in eine völlig neue Welt eingeführt wird, so schildert er ebenso eminent und charakteristisch fremde Zustände, ein Londoner Drawingroom, eine Pariser Grisette, einen Berliner Gardelieutenant, und wenn er sich sein Phantasieroß sattelt, nun da werden wir in Regionen geführt, die selbst Heine nicht träumte und die Jókai zudem kunstwahrer darstellt, als z. B. Jean Paul mit seinen rosenrothen Wolken und veilchenblauen Dämmerungen, denen alle sinnliche Anschauung mangelt.“ Jókai, schreibt derselbe Biograph, ist schon öfter, wie Josika der ungarische Walter Scott, der ungarische Dumas genannt worden. Jókai ist aber UngarnsJókai und wird einst in einer Weltliteratur nur Jókai heißen. – Für deutsche Leser und Freunde der ungarischen Literatur und als Beweis, wie sich das deutsche Publikum auch schon dieses Lieblings der ungarischen Lesewelt bemächtigt hat, folgt hier eine Uebersicht derjenigen kleineren Novellen und Erzählungen Jókai’s, welche in’s Deutsche übersetzt und in Zeitschriften abgedruckt worden sind, und zwar im Pesther Sonntagsblatt: „Thomas Bacsó“. Von W. Szigmund (1854); – „Die Haromßeger Mädchen“. Von L. Rosner (im näml. J.); – „Peroses“. Von J. H. (ebd.); – „Ein ungarischer Zauberer“. Von L. Rosner (ebd.); – „Der Lügenpeter“. Von Dems. (ebd.); – „Adamante“. Von G. Lichtenstern (ebd.); – „Sajo“. Histor. Zeitgemälde von L. Rosner (ebd. 1855); – „Das Bettelkind“. Von Dems. (ebd.); – „Ungarns Dichter und ihr Loos“. Von Dems. (ebd.); – im Wiener Journale Die Donau: „Aus Petöfi’s Leben“. Von A. Agay (1855, Nr. 239); – in der Ungarischen Post: „Aus dem Leben eines ungarischen Dichters“ (1855, Nr. 3–7); – im Wanderer: „Die gute alte Frau“. Von L. Rosner (1862); auch im Separatabdruck; – in Waldheim’s Illustrirter Zeitung: „Der Flüchtling“. Von L. Rosner (1862); – „Traurige Tage, ein Roman“ (ebd. Nr. 1 u. f.); – in Franz Schuselka’s National-Kalender: „Ein ungarischer Dichter“. Von L. Rosner; auch im Separatabdruck; – in Waldheim’s Mußestunden: „Das Feenschloß“. Von S. Bródi (1859, S. 214); – „Hunnen-Märchen“. I–VIII (ebd. S. 294 u. f.); – „Unter der Erde“ (1860, S. 7 u. f.); – „Die Caldaria“ (ebd. S. 64); – „Ein Todesurtheil“ (ebd. S. 184 u. f.); – „Zehn Millionen Dollars“ (ebd. S. 317 u. f.); – „Aller guten Ding’ sind drei“ (ebd. S. 364); – „Die Unterhaltung wider Willen“ (ebd. S. 419 u. f.); – „Ein geheimnißvolles Leiden“ (1861, S. 90); – „Carinus“ (ebd. S. 151 u. f.); – „Die beiden Markow“ (ebd. S. 210); – „Adamante“ (ebd. S. 255); – „Ein Ball (ebd. S. 305); – „Ein verhängnisvoller Ort“ (ebd. S. 327); – „Die Witwe des Gefallenen“ (ebd. S. 364 u. f.); – „Georg von Szent Tomas“ (ebd. S. 397); – „Mein Liebster ist nicht Staub geworden“ (1862, S. 16); – „Der Ring als Verräther“ (ebd. S. 53); – „Die Amazone“ (ebd. S. 247); – „Des Teufels Braut“ (ebd. S. 317 u. f.); – „Die Heldensöhne“ (ebd. S. 390); – „Ein guter Mann“ (ebd. S. 411).
VI. Jókai’s Persönlichkeit. Diese schildert sein Biograph, wie folgt: „Jókai ist ein mittelgroßer, schmächtiger, braunblonder junger Mann mit hoher Stirne, die bereits durch eine Glatze fortgesetzt wird, wodurch der Schädel plastisch hervortritt, während ein Vollbart und ein entschiedener Schnurbart der Physiognomie feste Basis verleihen. Zu seinen vielen Eigenschaften gehört auch die größte, liebenswürdigste Bescheidenheit und eine gegen Jedermann [253] gleiche Herzlichkeit. Nicht minder beliebt ist er durch sein kameradschaftliches Benehmen auch gegen unbedeutendste Anfänger. Er spricht und schreibt zugleich vollkommen deutsch, liest völlig sicher englisch und französisch.“

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Jókai, Maurus [Bd. X, S. 246].
    Das Neue Blatt. Ein illustrirtes Familien-Journal (Leipzig, Payne, 4°.) III. Jahrg. (1872), S. 103: „Ein Freund des Neuen Blattes. Maurus Jokai. Eine Biographie und literarische Charakteristik“, von Kertbeny [mit wohlgetroffenem Holzschnittbildniß]. [Band 28, S. 355]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Karrikaturen.
  2. Vorlage: in in.