BLKÖ:Habsburg, Karl II.

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 6 (1860), ab Seite: 360. (Quelle)
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133. Karl II., König von Spanien (geb. 6. November 1661, gest. 1. November 1700). Sohn Philipp’s IV. von Spanien und Maria Anna’s von Oesterreich, Enkel Kaiser Ferdinand’s III., der Letzte der Habsburg-spanischen Linie. Gemalinen: 1) Maria Louise von Orleans (geb. 27. März 1662, gest. 12. Februar 1689), ihm vermält 19. November 1679; 2) Maria Anna, Prinzessin von der Pfalz-Neuburg (geb. 28. October 1667, gest. 1740), ihm vermält 4. Mai 1690. Beide Ehen blieben kinderlos. Hervorragende Lebensmomente. Karl zählte, als sein Vater starb, vier Jahre; Philipp übertrug auf seinem Sterbebette die Regentschaft während Karl’s Minderjährigkeit der Königin Witwe und einem Regentschaftsrathe, in den nur der königlichen Familie sehr ergebene Personen zuzulassen waren und Don Juan d’Austria (s. d. Nr. 129], der sich einer großen Popularität erfreute und [361] Spaniens Ansehen nach Außen hatte herstellen geholfen, ausgeschlossen blieb. Die Königin Witwe berief nun ihren Rath und Beichtvater, den Pater Neidhardt, oder wie er gewöhnlich genannt wird, Nithard, der bereits Reichsgroßinquisitor war. Der geistliche Herr konnte wenig ausrichten. Don Juan, von den Truppen geliebt und von der öffentlichen Meinung begünstigt, marschirte geradezu auf Madrid und die Königin Witwe war genöthigt, ihren Beichtvater zu entfernen. Sie übergab ihm dafür die Statthalterschaft über Aragonien. Als Karl älter geworden, wollte er das Joch der Regentschaft von sich abschütteln, erklärte sich mit 15 Jahren selbst für großjährig, berief Don Juan in seinen Rath und schickte die Mutter in ein Kloster. Der junge Prinz ließ nun Don Juan regieren, aber bald entriß ihm der Tod diese Stütze (1679), nachdem Don Juan früher noch durch Ränke um des Königs Vertrauen gekommen war. Karl’s Mutter kehrte nun an den Hof zurück und während sie regierte, beschäftigte sich der Sohn mit Nichtigkeiten. Mit der Regierung stand es schlimm und Frankreich benützte Spaniens Schwäche, welches sich im Frieden von Nymwegen (1678), mit dem Verluste der Franche Comté und mehrerer Städte in den Niederlanden zufrieden geben mußte. Uebrigens erhielt Karl durch diesen Vertrag die Hand der Prinzessin Maria Louise von Orleans, Ludwig’s XIV. Nichte. Die Königin behauptete einigen Einfluß auf Karl, der übrigens den Franzosen abgeneigt war, obgleich seine Schwester Maria Theresia des Königs Ludwig XIV. Gemalin war. Diese Ehe dauerte nur 10 Jahre, denn Karl verlor diese seine erste Gattin, die er zärtlich liebte, bereits 1689[WS 1]. Nach dem Tode der Königin büßte Frankreich allgemach seinen Einfluß in Spanien ein, den es bis dahin sich zu verschaffen gewußt, und Karl neigte sich auf Oesterreichs Seite. Mit der Politik Oesterreichs übereinstimmend, ergriff er die Waffen gegen seinen Schwager, den König Ludwig XIV. Aber die Vertheidigungsmittel Spaniens waren tief gesunken. Die Franzosen überschwemmten das Land (1694), waren schon bis Barcelona vorgedrungen und erst der Frieden von Ryswick (1697) beseitigte die weiteren Gefahren, die dem Könige und seinem Lande drohten. Da Karl’s Gesundheit wankend war, und er weder von der ersten noch von der zweiten Gemalin einen Erben besaß, verfiel er auf den Gedanken, sein Reich zu theilen. Spanien und Indien sollte der älteste Sohn des Churfürsten von Bayern, beide Sicilien und die übrigen Besitzungen Spaniens in Italien – das Herzogthum Mailand ausgenommen – Louis Dauphin von Frankreich, und Mailand der zweite Sohn des deutschen Kaisers erhalten. Dieses Project schien ohne Wissen des Königs von dem Minister Torcy entworfen und zu Haag von der Diplomatie zurecht gelegt worden zu sein. Es zerschlug sich, weil der eine der dabei bedachten, und zugleich der Haupterbe, der Prinz Leopold von Bayern, gestorben war (24. Mai 1689). Ein zweiter Plan, zufolge welchem der österreichische Erzherzog Spanien und Indien erhalten, der Antheil des Dauphin’s um Lothringen vermehrt und dessen Herzog für Lothringen mit Mailand entschädigt werden sollte, scheiterte, weil weder Oesterreich noch Frankreich damit zufrieden waren, da jedes die ganze spanische Erbschaft für sich beanspruchte. Karl näherte sich dem Grabe, ohne daß die Erbschaftsangelegenheit zu einem gedeihlichen [362] Ende gebracht worden wäre, obgleich es nicht an diplomatischen Künsten und andern Hebeln, einen letzten endgiltigen Ausspruch zu erhalten, fehlte. Ueber den weitern Verlauf dieser Erbschaftsangelegenheit haben die französischen Historiker die Sache zu ihren Gunsten dargestellt und nach diesen hätte Karl II. – obgleich es ja widersinnig ist, daß er, ein Habsburger, sein eigenes Haus enterbt haben sollte – doch zu Gunsten Philipp’s von Bourbon, Herzogs von Anjou, Enkels Ludwig’s XIV., sich entschieden. Im Monat October 1700 hätte sonach Karl II. ein drittes Testament errichtet, welchem zufolge er den Enkel Ludwig’s XIV. zu seinem Nachfolger in den spanischen Reichen erklärt haben sollte. Daß dieses Testament unterschoben war, daß der König ausdrücklich den österreichischen Erzherzog zu seinem Erben ernannt, und daß Cardinal Porto Carrero, der Herzog von Medina Sidonia, der französische Gesandte, der Herzog von Montalto und Lessa (am 8. October 1700) das erwähnte Testament unterschlagen und vernichtet und das nachher von Frankreich geltend gemachte geschmiedet haben, ist nach der Hand historisch festgestellt worden. Uebrigens ist es vornehmlich der Unfähigkeit des österreichischen Gesandten in Madrid zu verdanken, daß diese Nichtswürdigkeit vor sich gehen konnte, da dieser Diplomat sich um nichts bekümmerte, und nicht wußte, was um ihn vorgehe. Die Folge dieser Umtriebe war der blutige und langwierige Successionskrieg, in welchem Oesterreich Spanien verlor. Miß Pardoe in ihrem Werke: „Louis XIV. and the Court of France in the seventeeth Century“, erzählt die unwürdige Comödie, die man mit dem Könige gespielt. Karl II. besaß alle Anlagen zu einem guten Regenten und wäre es geworden, wenn Don Juan d’Austria länger gelebt hätte. Aber gewissenlose und unfähige Rathgeber einerseits, wie das lächerliche spanische Hofceremoniel, welches alle Selbstständigkeit eines Regenten von vorn herein vernichten mußte, andererseits, machten es unmöglich, daß etwas Gedeihliches zu Stande kam. Um sich aber von diesem Hofceremoniel eine Idee zu machen, sei hier erwähnt, daß der bestimmten Hofvorschrift gemäß die Königin im Sommer um 10, im Winter um 9 Uhr zu Bett sich legen mußte, ob sie Schlaf hatte oder nicht. Vergaß des Königs junge Gemahn zur Zeit zu Bette zu gehen, so erschienen die Kammerfrauen noch während der Mahlzeit, nahmen ihr schweigend den Kopfschmuck ab, während Andere sie unter dem Tische entkleideten und so wurde die Königin, ehe sie sich’s versah, zu Bette gebracht. Wenn sich der König Nachts in seiner Gemalin Schlafgemach begab, so mußte es vorschriftmäßig im folgenden komischen Aufzuge geschehen: Die Schuhe mußten eingetreten sein, der Mantel über der Schulter hängen, eine Art von Schild hing an einem Arme; am andern an der Schnur ein silbernes Nachtgeschirr. In der einen Hand hielt der König einen großen spanischen Degen, in der andern eine Blendlaterne und so mußte er – gleichsam heimlich – sich zur Königin schleichen. Karl II. starb in jungen Jahren. Er zählte 39 Jahre als er verschied. Die Bourbonen erhielten durch Trug nach ihm ein Land ohne Industrie, ohne Ackerbau, ohne Unterricht, ohne Marine, regiert von Personen, die zu anderen Dingen berufen sind, als zum Regieren, mit schwachen Einkünften, die in schlechter Münze bezahlt wurden, während die erpreßten Schätze der überseeischen Provinzen vergeudet worden waren.

[363] I. Selbstständige Werke. Bonhours (Dominique), Relation de la sortie d’Espagne du père Everard, jésuite confesseur de la reine (Marie Louise) d’Orleans, épouse de Charles II., roi d’Espagne (Paris 1669, 12°.). – Bressand (Philippe), Oraison funèbre de Charles II. roy d’Espagne (Brux. 1701, 4°.). – Claes (G. M.), Oratio funebris Caroli II. Hispaniarum regis (Lovan. 1701, 4°.). – Dunlop (John), Memoirs of Spain during the reign of Philipp IV. and Charles II. from 1621 to 1700. 2 Bde. (Edinburgh 1834, 8°.). – Entretien de Marforio et de Pasquin sur le testament de Charles II. (Cologne [Amsterd.] 1700, 12°.) [siehe auch weiter unten: Lettre, Reflexions und Testament]. – Gaubius (Leonardus), Oratio funebris in laudem Caroli II. Hispaniarum regis (Antw. 1701, Fol.). – Lancier (de), Oraison funèbre de Charles II. roi d’Espagne (Brux. 1701, 4°.). – Leben S. M. Caroli II., Königs in Spanien. 4 Bde. (Leipzig 1708, 8°.). – Lettre de Madame la marquise de Villars ambassadrice en Espagne dans le temps du mariage de Charles II. roi d’Espagne avec la princesse Marie Louise d’Orléans, fille de Monsieur, frère unique de Louis XIV. et de Henriette Anne d’Angleterre sa premiere femme (Amsterd. 1759, 12°.) [siehe auch unten: Mémoires]. – Lettre écrite d’Anvers le 29. Dec. 1700 par M ... P ... à M ... N ... sur le testament de Charles II. (Brux. 1700, 4°.). – Mémoires de la cour d’Espagne depuis 1679 jusqu’en 1681 ou l’on verra les ministres de Don Juan et du duc de Medina Coeli (Paris 1733, 12°.). – Perimezzi (Gius. Mar.), Orazione funebre per la morte di Carlo II., rè delle Spagne (Rom 1701, 4°.). – Philipp (Robert), Oraison funèbre de Charles II. roi d’Espagne (Luxemb. 1701, 4°.). – Processo criminal fulminado contra el R. P. Fr. F. Diaz, confesor del rey D. Carlos II. y electo obispo de Avila que tuvo principio en el año 1698 y se concluy o en el año 1704 ec. (Madrid 1787, 8°.). – Réflexions sur une lettre d’Anvers etc. sur les affaires présentes de la couronne d’Espagne (s. l. 1701, 12°.). – Relations des differends arrivés en Espagne entre Don Juan d’Autriche et le Cardinal Nitard (Neidhart). 2 Bde. (Paris 1677). – Riquaert (Jean François), Oratio funebris in honorem Caroli II. (Mechlin 1701, 4°.). – Spain under Charles II. Extracts from the correspondence of Alexandre Stanhope, british ministre at Madrid from 1690 to 1700 edited by Phil. Henri Mahon (London 1840, 8°.). – Testament et Codicille de Charles II. fait le 2. Oct. 1700 avec plusiers pièces concernant ledit testament (Paris 1700, 4°., auch Cöln 1701, 12°.). – Zeccadoro (Francesco), Oratio in funere Caroli II. Hispaniarum regis etc. (Rom. 1701, 4°.).
II. In anderen Werken Zerstreutes. Documents inedits sur l’histoire de France publ. par Mignet. II et III: Negociations relatives à la succession d’Espagne. – Mémoires de Saint Simon. – Thucelli acta publica, I, 3. – Nani,, historia de Venise, tom. II, pars 2, S. 232. – Mémoires de Lambert, tom. III et V. – Europäische Fama, P. 29, S. 298 u. f., P. 30, S. 389 u. f. – D’Aunoi, Mémoires. – Bergmann (Joseph), Medaillen auf berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates vom XVI. bis zum XIX. Jahrhunderte (Wien 1844 u. f., Tendler und Comp., kl. 4°.) Bd. II, S. 276, 417 [in den Anmerkungen], 466. – Mémoires de Harrach. – Allgemeines historisches Lexikon (Leipzig 1730, Thom. Fritschens sel. Erben, Fol.) Bd. I, S. 847–850. – Louis XIV. and the Court of France in the Seventeeth[WS 2] Century by Miss Pardoe. – Lesefrüchte, begründet von J. J. C. Pappe, herausg. von J. A. Appel (Hamburg, 8°.) 1847, Bd. II, Stück 3: „Spanische Thronfolge und Heirathen, von W. Cooke Taylor“. – Schlosser, Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts und des neunzehnten bis zum Sturze des französischen Kaiserreiches. 3. Aufl. (Heidelberg, Mohr, 8°.) I, 47–49 (Testament), 50 (Tod). – Mailáth (Joh. Graf), Geschichte des österreichischen Kaiserstaates (Hamburg 1850, Perthes, 8°.) IV, 36, 281, 293 (Testament), 296 (Theilungsverhältnisse), 299, 300. – Berliner Figaro. Redig. von L. W. Krause, VIII. Jahrg. (1838), Nr. 22 und 23: „Ein König unter Leichen. Historische Skizze“ von M. Wiener [behandelt die nichtswürdige Intrigue, die gespielt worden, den König zu einem, die Erbfolge Frankreichs sichernden Testamente zu bewegen].
III. Porträte. 1) Ph. Bouttats sc. (4°.); – 2) J. Gole sc. (4°.), Schwarzk.; – 3) J. F. Leonart sc. (kl. Fol.) [daselbst irrig Karl I. genannt; übrigens ein seltenes Blatt]; – 4) nach dem berühmten Bilde von C. Coello [364] L. T. Noceret sc. (Fol.) [schönes und seltenes Blatt]; – 5) E. C. Heiß p., Pinssio[WS 3] sc. (8°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1679.
  2. Vorlage: Seventheet.
  3. Vorlage: Piussio.