ADB:Waldemar (Markgraf von Brandenburg)

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Artikel „Waldemar, Markgraf von Brandenburg“ von Wilhelm von Sommerfeld in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 677–687, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Waldemar_(Markgraf_von_Brandenburg)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 04:52 Uhr UTC)
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Waldeck, Josias Graf
Band 40 (1896), S. 677–687 (Quelle).
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Waldemar, Markgraf von Brandenburg, 1308–19. Mit den Brüdern Johann I. und Otto III. hatte sich das Haus der brandenburgischen Askanier in zwei Linien gespalten, aus deren älterer, der johanneischen, W. selbst entstammte. Sein Oheim und von 1281–1308 das Haupt dieses Familienzweiges war der krieg- und prachtliebende, auch als Minnesänger bekannte Markgraf Otto (IV.) mit dem Pfeil; sein Vater, Markgraf Konrad, Otto’s jüngerer Bruder und Mitregent, wird uns als eine einfachere, mehr zur Ruhe und zu jagdlichen Zerstreuungen hinneigende Persönlichkeit geschildert. Im J. 1260 hatte sich Konrad mit der polnischen Prinzessin Konstanze vermählt, über welche wir keine näheren Nachrichten besitzen; von den drei Söhnen, welche dieser Ehe entsprossen, war W. der weitaus jüngste; seine Geburt fällt wahrscheinlich in den Anfang des Jahres 1291. Ueber seine ersten Jugendschicksale erfahren wir nichts genaueres; immerhin wird sich annehmen lassen, daß das vielbewegte, glänzende Treiben am Hofe seines Oheims dem Knaben frühzeitig nahe getreten und auf seine Entwicklung nicht ohne Einfluß geblieben ist. Seit 1303, vermuthlich nach vollendetem 12. Lebensjahre, sehen wir ihn dann in Gemeinschaft mit seinem Oheim, Vater und ältestem Bruder – der zweite war damals anscheinend schon verstorben – gemeinsam Urkunden ausstellen und die Regierung im Gebiete der johanneischen Linie mitausüben. Auch hatte er Antheil an den Kämpfen, welche die Brandenburger in diesem und in den folgenden Jahren gegen Pommern, Polen und gegen den deutschen König Albrecht I. führten, und vertrat gegen Ende 1308, nach Albrecht’s Ermordung, persönlich die brandenburgische Kurstimme bei der Erhebung des neuen Königs Heinrich VII. Inzwischen waren in den Jahren 1304 und 1305 sein Vater und sein ältester Bruder ins Grab gesunken, denen zu Anfang 1308 auch Markgraf Hermann, das Haupt der ottonischen Linie, im Tode nachfolgte, indem er als alleinigen männlichen Angehörigen seines Zweiges einen kaum sechsjährigen Sohn Namens [678] Johann zurückließ. Die Vormundschaft über diesen hätte der herrschenden Gewohnheit zufolge an Markgraf Otto mit dem Pfeil als an den nächsten männlichen Verwandten von Vaterseite her fallen müssen; jedoch hatte Hermann es vorgezogen, vier seiner vertrautesten Räthe testamentarisch zu Vormündern zu ernennen, wozu er unter gewissen Bedingungen berechtigt war. Gleichwol nahm W., wol im Einverständniß mit Otto, der damals in Mecklenburg Krieg führte, den Knaben gleich nach des Vaters Tode zu sich und brachte ihn, als er bald hernach von den designirten Vormündern entführt wurde, mil gewaffneter Hand aufs neue in seine Gewalt, um hinfort die Regentschaft in Johann’s Erblanden zu führen. Diese rasche That rief in den letzteren, wie es scheint, allgemeine Besorgniß hervor; die dortigen Städte, an ihrer Spitze Berlin-Cöln, verbanden sich im März 1308 zu gemeinsamer Abwehr aller etwaigen Bedrückungsversuche und leisteten dem neuen Regenten, soviel sich erkennen läßt, zunächst keine Huldigung; auch der Adel wird theilweise gegen Waldemar’s Verfahren protestirt haben. Aber W. wußte sich im Besitze der Tutel zu erhalten, auch die Bestätigung König Albrecht’s und seines Nachfolgers dafür zu erlangen, und allmählich befestigte sich seine Stellung auch in Johann’s Landen, wozu jedenfalls wesentlich der Umstand beitrug, daß er bald hernach, anscheinend im Frühjahr 1309, die Prinzessin Agnes, eine Schwester Johann’s, ehelichte, mit der er übtigens schon vor längerer Zeit durch die beiderseitigen Eltern verlobt worden war.

Noch vor dieser Vermählung, zu Ende des Jahres 1308, war auch Otto mit dem Pfeil verstorben. Von den männlichen Mitgliedern des brandenburgischen Gesammthauses, deren Zahl um das Jahr 1295 noch etwa 15 betragen hatte, lebte jetzt außer W. und Johann nur noch ein jüngerer Bruder Otto’s und Konrad’s, Markgraf Heinrich ohne Land, mit seinem gleichnamigen, in frühem Kindesalter stehenden Sohne. Heinrich war noch bei Lebzeiten seiner Brüder mit der zur rechten bezw. linken Seite der unteren Saale belegenen Mark Landsberg und Pfalz Sachsen abgefunden worden; die übrigen Besitzungen der beiden brandenburgischen Linien aber standen seit Otto’s Tode unter der alleinigen Herrschaft, bezw. Regentschaft oder auch Oberhoheit Waldemar’s. Es gehörten dazu auf der linken Seite der Elbe die jetzige Altmark mit einigen benachbarten Gebieten und einem Theile der Grafschaft Henneberg in Thüringen und Franken; zwischen Elbe und Oder etwa die heute noch brandenburgischen Lande, die Lausitz und Theile der Mark Meißen (diese auf beiden Seiten der Elbe); ostwärts der Oder die jetzige Neumark und bedeutende Stücke der heutigen Provinzen Schlesien, Posen, Pommern und Westpreußen. Das Ganze bildete ein Gebiet, wie es in gleichem Umfange kein anderer der damaligen deutschen Reichsfürsten besaß; freilich waren manche Theile desselben erst vor kurzem durch Eroberung, Kauf oder Erbschaft erworben worden und von den alten Landen weit abgelegen, daher mit diesen und mit dem askanischen Hause noch nicht fest verwachsen. Das westpreußische Gebiet, damals (Ost-)Pommern genannt, stand zur Zeit sogar nicht mehr im thatsächlichen Besitz der Askanier, sondern war gegen Ausgang 1308 von dem Deutschorden erobert worden, doch hatten die ersteren ihre Ansprüche darauf noch nicht aufgegeben.

W. stand jetzt am Ausgang seines 18. Lebensjahres und hatte somit seine körperliche und geistige Ausbildung nahezu abgeschlossen. Er war von kleiner aber kräftiger Statur, ein Meister in ritterlichen Uebungen, kampfesfroh und ruhmbegierig und sehr darauf bedacht, durch Entfaltung äußeren Glanzes seine hohe Stellung in dem höfisch-ritterlichen Geiste seiner Zeit würdig zu repräsentiren. Erfüllt von rastloser Unternehmungslust, jedenfalls auch leicht erregbaren Temperamentes, hat er sich öfters wol zu gewaltsamen, hie und da selbst zu [679] unüberlegten Handlungen fortreißen lassen. Doch ist es schwerlich begründet, wenn man ihm ein phantastisches Wesen und hartnäckigen Eigensinn vorgeworfen hat. Seine Politik trägt vielmehr, im ganzen betrachtet und unter Berücksichtigung seines jugendlichen Alters, vorwiegend das Gepräge zielbewußter Energie und verräth ein trotz aller Ruhmbegierde praktisch angelegtes, auf das Nächsterreichbare und materiell Nützliche gerichtetes Naturell. Es verdient in dieser Hinsicht hervorgehoben zu werden, wenn es sich auch zum Theil aus äußeren Umständen erklärt, daß dieser Fürst, der wenigstens an Umfang des Herrschergebietes mit Heinrich dem Löwen verglichen werden kann, an den allgemeinen Reichsangelegenheiten weit geringeren Antheil als der letztere und selbst als viele mindermächtige Reichsfürsten aller Zeiten genommen, überhaupt von den Verwicklungen der abendländischen Politik, soweit sie nicht unmittelbar seine eignen und die angrenzenden baltischen Gebiete betrafen, sich stets vorsichtig ferngehalten hat. Dem deutschen Königthum ordnete er sich seit dem Beginn seiner Alleinherrschaft stets willig unter, machte auch bei der Thronvacanz im J. 1313 und der darauffolgenden zwiespältigen Wahl keinen erkennbaren Versuch, die höchste weltliche Würde des Abendlandes für sich zu erwerben. Auf dem Gebiete der inneren Politik wußte er die auf ihn überkommenen Hoheitsrechte der Hauptsache nach festzuhalten. Dem Clerus bezeigte er sich nicht allzu freigebig und willfährig, ohne sich aber in ernstere Conflicte mit ihm zu verwickeln; den Adel zog er eifrig zu sich heran und erwies ihm vielfach seine Gunst, brachte aber gegen einzelne Mitglieder desselben seine oberherrliche Gewalt gelegentlich scharf zur Geltung; die Städte begnadete er mit zahlreichen Privilegien die aber zumeist theuer bezahlt werden mußten; auch zog er sie zu erheblichen Leistungen in seinen Kriegen heran. Die sehr bedeutenden Kosten für die letzteren und für seine glänzende Hofhaltung wußte er außerdem zum großen Theile durch beträchtliche Geldsummen zu bestreiten, die er sich von auswärtigen Mächten verschaffte, sei es vermittels glücklicher Kriegsunternehmungen, sei es durch den Verkauf entlegener und unsicherer Gebietstheile. Daß gleichwol seine Regierung namentlich für die niedere Bevölkerung seiner Gebiete finanziell oft sehr drückend gewesen ist, läßt sich kaum bezweifeln, umsoweniger als gerade in jenen Jahren häufige Mißernten und in ihrem Gefolge schwere Hungersnöthe die Mark und andere Theile Mitteleuropas heimsuchten; dennoch gewannen die ritterliche Persönlichkeit des jungen Fürsten und der Ruhm, den seine Thaten im Auslande errangen, ihm die Zuneigung seiner Unterthanen; seine Herrschaftszeit blieb in der Mark lange in gutem Angedenken.

Der erste wichtigere Regierungsact, der uns nach Otto’s IV. Tode von W. berichtet wird, bestand in einer größeren Gebietsabtretung. Im J. 1309 verkaufte er um 10 000 M. brand. Silbers dem Deutschorden die ostpommerschen Bezirke Danzig, Dirschau und Schwetz, die aber, wie oben berührt, schon seit Ende 1308 im thatsächlichen Besitze des Ordens waren. Die Veräußerung war daher politisch wohl zu rechtfertigen, um so mehr, als auch die Herrscher von Rügen, Westpommern und Polen auf jene von der Mark aus schwer zu vertheidigenden Gebiete Besitzansprüche geltend machten. Im folgenden Jahre traf W. auf mecklenburgischem Boden zusammen mit den Fürsten von Mecklenburg, Pommern und Rügen und mit König Erich von Dänemark, Oberlehnsherrn in einem Theile Mecklenburgs, verband sich mit ihnen gegen die Stadt Wismar, die ihrem Landesherrn Heinrich von Mecklenburg Ungehorsam erzeigt hatte, und erhielt die Zusicherung, daß König Erich im Sommer des nächsten Jahres ihn und 99 seiner Vasallen, darunter 19 Fürsten und Edle Herren auf einem Hoftage zu Rittern schlagen werde. Diese Feierlichkeit fand dann in der That zur festgesetzten Zeit unter Anwesenheit einer äußerst großen Zahl von nord- und mitteldeutschen und dänischen [680] Großen bei Rostock statt und übertraf an Pracht alles, was man in dieser Art jemals im Osten der Elbe erblickt hatte. Namentlich erregte W. durch sein glänzendes Auftreten und seine vollendete Turnierkunst allgemeines Aufsehen; er erschien mehr als ebenbürtiger Rivale des mächtigen Dänenherrschers, denn als Standesgenosse der übrigen deutschen Fürsten. Nach Beendigung des Festes betheiligte er sich kurz an dem verabredeten Feldzuge gegen Wismar und dessen Bundesgenossen Rostock, kehrte aber bald in die Mark zurück, vielleicht infolge einer Irrung zwischen ihm und Heinrich von Mecklenburg. Doch schloß er bereits zu Anfang des nächsten Jahres (1312) ein erneutes Bündniß mit letzterem sowie auch mit König Erich gegen Rostock, das bisher vereint mit Wismar, Stralsund und Greifswald allen Angriffen der zahlreichen fürstlichen Gegner erfolgreich widerstanden hatte. Im Sommer 1312 wurde die Stadt und die von ihr aus besetzte Veste Warnemünde durch dänische, märkische und mecklenburgische Truppen eingeschlossen, doch erst im December zeigte sie sich zur Ergebung bereit und verstand sich unter anderem zu einer erheblichen Geldzahlung an W. und den Dänenkönig. Im selben Jahre erfolgte auch in den Streitigkeiten, die schon seit längerer Zeit zwischen den brandenburgischen und den meißnischen Markgrafen schwebten, eine für W. günstige Entscheidung, indem sein Gegner, Markgraf Friedrich, in märkische Kriegsgefangenschaft gerieth, und genöthigt wurde, für seine Befreiung einige meißnische Gebiete abzutreten und eine für jene Zeit fast unerhört hohe Lösesumme zu zahlen, deren Aufbringung auf Jahre hinaus seine politische Actionsfähigkeit lähmen mußte. Um die nämliche Zeit verkaufte W. an den Grafen Berthold von Henneberg die bisher märkischen Theile der Grafschaft Henneberg; auch von dem König von Dänemark, dem Fürsten von Rügen und dem Herzoge von Pommern-Stettin wußte er sich theils durch Kriegshülfe, theils gegen andern Entgelt größere Summen zu beschaffen; man bemühte sich in den Nachbargebieten um seinen mächtigen Beistand, und sein Einfluß in Ostdeutschland und an der Ostsee war in stetem Wachsen begriffen. Wenn er sich gleichwol im J. 1313 veranlaßt sah, dem Herzoge Wartislav von Pommern-Wolgast die bisher märkischen Gebiete Schlawe, Stolp und Rügenwalde im jetzigen Hinterpommern, die Wartislav kurz zuvor mit seinen Truppen besetzt hatte, dauernd zu überlassen, so scheint diese Cession, über deren Zustandekommen und Ausführung nähere Nachrichten nicht vorliegen, nicht sowol in der Form einer unentgeltlichen, erzwungenen Gebietsabtretung, als vermittels eines von W. ursprünglich dem Deutschorden zugedachten Verkaufes erfolgt zu sein; wenigstens soll die Besorgniß vor der weiteren Ausbreitung des Ordens, der schon das anstoßende Westpreußen besaß, Ursache für die Besetzung jener Gebiete von seiten Wartislav’s gewesen sein; auch zeigen sich beide Fürsten von dieser Zeit ab bis zu Waldemar’s Tode unter einander eng verbunden.

Mit dem Jahre 1314 aber erhob sich für W. eine ernste Gefahr, die ihn zeitweise fast mit völliger Vernichtung bedrohte. Nach der Unterwerfung von Rostock hatten Stralsund und Greifswald den Kampf gegen die Fürstengewalt noch fortgesetzt, und namentlich war Stralsund, nächst Lübeck vielleicht die mächtigste Stadt an der Ostsee, mit ihrem Landesherrn, dem Fürsten von Rügen, in schwere Verwicklung gerathen. Letzterer schloß daher zu Anfang 1314 gegen sie ein Bündniß mit einer Anzahl deutscher Fürsten und dem Könige von Dänemark. W. aber vollzog jetzt eine Schwenkung, indem er im Verein mit Herzog Wartislav die Partei der Stadt gegen die verbündeten Fürsten ergriff. Was ihn zu diesem auffallenden, von seinem früheren Verfahren gegen Rostock und von seiner Haltung gegen seine eigenen Städte abweichenden Schritte bewogen hat, ist schwer zu erkennen; möglich wäre es, daß er von den Gegnern Stralsunds, [681] die vielleicht schon in den letzten Jahren wegen seiner wachsenden Macht Eifersucht gezeigt hatten, Feindseligkeiten auch für sich befürchtete. Jedenfalls aber erweckte er sich hiermit nur eine desto zahlreichere und gefährlichere Gegnerschaft; selbst viele Mitglieder seines eigenen Landesadels, namentlich die mächtigen Familien der Alvensleben und Kröcher, zeigen sich fortan mit seinen Feinden verbunden. Der Krieg, von W. und seinen Verbündeten zunächst mit Glück geführt, entbrannte nach zeitweiliger Unterbrechung im J. 1315 aufs neue und gewann immer größere Dimensionen, bis schließlich neben König Erich die meisten Nachbarfürsten der Mark und ein großer Theil des märkischen Adels gegen W. und seine Verbündeten in Waffen standen. Zu den letzteren gehörten außer Stralsund und Herzog Wartislav von Pommern-Wolgast namentlich der junge Markgraf Johann, der seit Mitte 1314 die Regierung seiner Erblande selbst übernommen hatte, jedoch dauernd in freundschaftlichem Verhältnisse zu W. verharrte. Auf die Kämpfe, die nun folgten, kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden; Sieg und Niederlage wechselten auf beiden Seiten, und die bedeutende numerische Uebermacht der Gegner fand in der Schnelligkeit von Waldemar’s Operationen, sowie in der Kriegstüchtigkeit der Stralsunder Bürger und in der Stärke ihrer Befestigungen im ganzen ihr Gegengewicht, zumal die ersteren bei der großen Zahl ihrer Häupter nicht immer einheitlich vorgingen. Große Schlachten fanden dabei, dem Kriegsgebrauch jener Zeit entsprechend, nirgends statt; einen gewissen Ruf aber hat das Gefecht bei Gransee erlangt, wo W. im August 1316 seinem Gegner Heinrich von Mecklenburg und dem erheblich überlegenen Heere desselben nach tapferster Gegenwehr das Feld räumen mußte, dabei selber schwer verwundet wurde und nur mit genauer Noth dem Tode entrann. Wie wenig erheblich aber schließlich die Vortheile der Gegner waren, ergibt sich daraus, daß die Friedensverhandlungen, welche bald nach dem Treffen bei Gransee eingeleitet wurden, ihren Abschluß aber erst gegen Ausgang des Jahres 1317 durch die Verträge von Templin und Wordingborg fanden, ohne wesentliche Zugeständnisse Waldemar’s und unter ausdrücklicher Garantie für die Aufrechterhaltung aller Rechte der Stadt Stralsund endeten.

Markgraf Johann, Waldemar’s Schwager und früheres Mündel, war inzwischen noch vor Ablauf seines 15. Lebensjahres im Frühling 1317 gestorben, wodurch sein Gebiet unter die Herrschaft Waldemar’s überging. Freilich mag dem letzteren diese Vermehrung seiner Macht den Mangel an eigenen Leibeserben nur um so fühlbarer gemacht haben, denn noch waren aus seiner Ehe mit Agnes keine Kinder entsprossen. Der voraussichtliche Erbe seiner Länder war daher Heinrich der Jüngere, Sohn des obengenannten Heinrich ohne Land, ein wie es scheint kränklicher Knabe, der bisher so wenig als sein Vater in engeren Beziehungen zu W. gestanden hatte; doch soll dieser in seiner letzten Lebenszeit ihn mehr zu sich herangezogen haben. Im übrigen hielt sich W. in den Jahren 1317 und 1318, hauptsächlich wol infolge der Erschöpfung seines Landes nach dem voraufgehenden Kriege, von größeren politischen Unternehmungen fern, und suchte mit den mächtigen Nachbarherrschern freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten. Im Frühjahr 1319 unternahm er dann in Gemeinschaft mit Erzbischof Burchard von Magdeburg einen Feldzug gegen ihre beiderseitigen Vasallen, die von Alvensleben auf Erxleben, und brachte sie zur Unterwerfung; um dieselbe Zeit gewährte er dem Herzoge Otto von Pommern-Stettin, der im Kampfe mit seinen Ständen aus seinem Lande hatte fliehen müssen, Aufnahme in der Mark und leistete ihm zu Anfang des Sommers Waffenhülfe gegen die Stadt Gartz a. d. O., die sich jedoch bald wieder mit ihrem Landesherrn aussöhnte. Am 10. August schloß er ferner mit den Herzogen von Schlesien und Glogau einen für diese sehr günstigen Vertrag, anscheinend schon im Vorgefühl [682] seines nahen Todes, dessen er in der betreffenden Urkunde mehrfach gedenkt. In der That trat derselbe, jedenfalls infolge einer schweren Erkrankung, bereits wenige Tage später ein; am 15. August 1319 fand der erst 28jährige Herrscher zu Bärwalde in der Neumark sein Ende und wurde gleich den übrigen Mitgliedern seiner Linie im Kloster Chorin unweit Eberswalde bestattet. Es folgte nun der immer noch unmündige Heinrich der Jüngere, dessen Vater in der Zeit zwischen 1317 und 1319 gleichfalls gestorben war; doch auch er sank schon im Sommer des nächsten Jahres ins Grab, nachdem er soeben von Ludwig dem Baiern großjährig gesprochen war: das ruhmvolle Haus der brandenburgischen Askanier war damit im Mannesstamme erloschen.

W. erscheint in erster Linie als ein besonders glänzender Vertreter des rittermäßigen, thatenfrohen Fürstenthums des späteren Mittelalters; als ein Herrscher und Staatsmann ersten Ranges aber, der große politische Ideen mit vollem Bewußtsein in sich aufgenommen und ihre Durchführung zu seiner Lebensaufgabe gemacht hätte, läßt er sich nicht bezeichnen, wobei allerdings sein frühzeitiger Tod in Betracht zu ziehen ist. Immerhin nimmt er vermöge seiner Thatkraft und Umsicht, auch wegen des ungewöhnlich großen Umfanges seines Herrschaftsgebietes, unter den Fürsten seiner Zeit wie unter denjenigen seines Geschlechtes eine hervorragende Stellung ein und dürfte nächst Kaiser Karl IV. als der bedeutendste Herrscher der Mark Brandenburg vor der Zeit der Hohenzollern anzusehen sein.

Der falsche Waldemar, 1348–1355. Markgraf Ludwig der Aeltere, welcher im J. 1323 als 11jähriger Knabe von seinem Vater, König Ludwig dem Baiern, mit der Mark belehnt worden war, hatte hier mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, indem einerseits zahlreiche Nachbarfürsten, unter ihnen die askanischen Herrscher von Sachsen-Wittenberg und von Anhalt, nach dem Besitze seines Landes oder einzelner Theile desselben strebten, andrerseits die märkische Bevölkerung selbst und besonders der dortige Clerus dem süddeutschen, mit der Curie zerfallenen Herrscherhause vielfach eine feindselige Gesinnung entgegenbrachte und sich hier und da offen den Nachbarfürsten zuneigte. Noch größer ward die Abneigung gegen Ludwig, als dieser im J. 1342 die bisher mit Johann Heinrich von Luxemburg, Bruder des nachmaligen Kaisers Karl IV., vermählte Prinzessin Margarethe Maultasch ehelichte, eine Heirath, die ihm freilich die Grafschaft Tirol einbrachte, zugleich aber ihm und seinem Hause außer dem vermehrten Haß der Curie auch die unversöhnliche Feindschaft der mächtigen Luxemburger Partei zuzog und selbst sein persönliches Ansehen schädigte, da sie in weiten Kreisen für illegitim galt. Seine Stellung war daher in einem großen Theile der Mark noch immer nicht befestigt, als durch den Tod seines Vaters im Oktober 1347 der im Jahre zuvor erwählte Gegenkönig Karl IV. das Uebergewicht im Reiche erlangte. Zu den Anhängern des letzteren gehörten bald die meisten Nachbarfürsten der Mark, namentlich Herzog Rudolf der Aeltere von Sachsen-Wittenberg. der im November 1347 von Karl mit der Altmark belehnt wurde, und seine beiden Söhne; ferner die Grafen von Anhalt und Erzbischof Otto von Magdeburg, der mit Ludwig zur Zeit auf gespanntem Fuße stand; auch die Herrscher von Mecklenburg, die jetzt von Karl zu Herzogen erhoben wurden; schließlich noch Herzog Barnim von Pommern-Stettin. Ludwig dagegen und die übrigen Mitglieder der Wittelsbacher Partei im Reiche erkannten den Luxemburger nicht an, sondern suchten ihm einen Gegenkönig zu erwecken. Unter diesen Umständen nun geschah es im Sommer 1348, als Ludwig soeben zur Betreibung einer neuen Königswahl nach Süddeutschland gegangen war, daß in der Mark oder in Magdeburg ein Mann auftrat, der sich für den todtgeglaubten Markgrafen W. von Brandenburg ausgab. Dieser sei im J. 1319 nicht gestorben, [683] sondern habe sich nur krank gestellt und an seiner Stelle einen Andern zu Chorin begraben lassen; er selber aber sei aus Gewissensscrupeln über seine Ehe mit der ihm verwandten Prinzessin Agnes in freiwillige Verbannung gegangen, aus der er jetzt nach 29jähriger Abwesenheit zurückkehre. – Sofort machten nun der Erzbischof von Magdeburg, die jungen Herzoge von Sachsen (ihr Vater weilte in jenen Jahren dauernd bei Karl IV.) und die Grafen von Anhalt die Sache des Fremden zu ihrer eigenen; sie versammelten sich zu Magdeburg, erkannten ihn als den echten W. an und führten ihn mit Heeresmacht in die Mark, wo später auch die Herzoge von Mecklenburg und Pommern-Stettin zu ihnen stießen. Sie fanden, wenigstens anfangs, nur geringen Widerstand. Ein Theil der märkischen Bevölkerung hielt den angeblichen W. nach persönlicher Prüfung für identisch mit dem vormaligen Markgrafen und wandte sich in ehrlicher Ueberzeugung ihm als ihrem alten Herrn zu. Ein anderer Theil, und zwar anscheinend die große Mehrheit, gewann allerdings die Ueberzeugung, daß er unecht sei; doch auch von diesen scheinen viele ihm beigetreten zu sein, sei es aus Widerwillen gegen die Herrschaft der Wittelsbacher, sei es aus Furcht oder Zuneigung gegenüber den Nachbarfürsten. Denn daß gegebenenfalls vor allem die letzteren die Erbschaft der Wittelsbacher antreten würden, mochte bei ihrer Macht und Anzahl und ihrer befreundeten Stellung zu Karl IV. für Viele ale sicher gelten, zumal das auffallende Benehmen des angeblichen W. bald die Ansicht hervorrief, daß er geistesgestört (delirus) sein müsse.

Die Bewohner der Altmark ergaben sich daher fast ohne Gegenwehr; auch im Lande zwischen Elbe und Oder fiel ein Theil der Bevölkerung sogleich von Ludwig ab, während freilich ein anderer, namentlich die Stadtbürger, die unter dem städtefreundlichen Wittelsbacher Hause manche Begünstigung erfahren hatten, zunächst an dem letzteren festhielten, bis auch sie in ihrer großen Mehrheit durch die außerordentlich weitgehenden Privilegien, die ihnen der angebliche W. ertheilte, sich für ihn gewinnen ließen. Zu erwähnen ist dabei, daß diese und die übrigen Urkunden Waldemar’s mehrfach die ausdrückliche Genehmigung und durchweg die Zeugenunterschrift der Nachbarfürsten oder eines Theiles von ihnen tragen; W. erscheint in dieser und noch mehr in der Folgezeit stets von ihnen geleitet und überwacht; sie nehmen sogar selbständig Regierungsacte in der Mark vor, mitunter ohne seiner überhaupt zu gedenken.

Markgraf Ludwig hatte inzwischen auf die Kunde von diesen Vorgängen in Süddeutschland ein Heer gesammelt, mit dem er im September in der Neumark erschien. Diese letztere, ferner das Land Lebus mit der wichtigen Stadt Frankfurt a/O., die Lausitz und einige Städte in der mittleren Mark, vielleicht auch ein kleiner Theil des Adels daselbst, hielten allein noch bei ihm aus, während die Altmark, die Priegnitz, das Havelland, die Ucker- und Mittelmark ganz bezw. in der Hauptsache zu den Gegnern übergegangen waren. Zu Ende des Monats erschien auch Karl IV. mit einem bedeutenden Heere in der Mark und vereinigte sich bei Müncheberg unweit Frankfurt mit W. und seinen Helfern. Am 2. October erkannte er daselbst auf den Spruch eines aus Ludwig’s Gegnern zusammengesetzten Gerichtshofes die Echtheit Waldemar’s öffentlich an, belehnte ihn in aller Form mit der Mark und ließ sich dafür von ihm die Lausitz abtreten. Gleichzeitig ward den jungen Herzogen von Sachsen und den Grafen von Anhalt von Karl die Anwartschaft auf die Mark verliehen für den Fall, daß W. ohne Kinder sterben werde. Hierauf schritt man zur Belagerung von Frankfurt, wohin sich Ludwig von der Neumark aus geworfen hatte, doch wurde dieselbe, vermuthlich infolge des Herannahens der Pest, bald wieder aufgehoben. Während Karl und ein Theil der Fürsten in ihre Heimath, der Rest aber mit W. auf Straußberg zurückgingen, unternahm Ludwig einen Vorstoß in die Mittelmark, [684] überzeugte sich aber, daß er hier auf größere Erfolge nicht rechnen könne, und ging daher gegen Ende des Jahres wiederum nach Süddeutschland, um aufs neue die Wahl eines Gegenkönigs zu betreiben. Wirklich wurde nun im Januar 1349 von der Wittelsbacher Partei Graf Günther von Schwarzburg zum König erwählt und fand auch bei den süddeutschen Städten einigen Anhang. Hierdurch erschreckt, berief Karl die ihm anhängenden Fürsten, unter ihnen auch den angeblichen W., zu einem Hoftage nach Köln, wo er sich von ihnen eidlich Schutz gegen Günther versprechen ließ (Februar 1349), zugleich aber suchte er auch die Gegencoalition zu sprengen, und wirklich gelang es ihm, den ältesten und angesehensten Fürsten derselben, Pfalzgraf Rudolf bei Rhein, für sich zu gewinnen, indem er sich mit dessen Tochter vermählte. Dieser Schritt scheint bei den Helfern Waldemar’s Mißtrauen und Besorgniß erregt zu haben, namentlich bei den jungen Herzogen von Sachsen. Diese cedirten daher ihre Ansprüche auf das Angefälle der Mark an die Grafen von Anhalt, die ihnen dafür eintretendenfalls das anhaltinische Gebiet überlassen sollten, und zu Anfang April ließen sich die Grafen auf einem Landtage zu Berlin in Gegenwart und unter Zustimmung Waldemar’s von den Städten und vielleicht vom Adel der Altmark, Priegnitz, Ucker- und Mittelmark ein dementsprechendes Huldigungsversprechen geben. Kurz hernach erhielt Erzbischof Otto zum Ersatz für seine Unkosten von W. die Altmark zu Pfandbesitz abgetreten, und im September desselben Jahres schloß auch Herzog Albrecht von Mecklenburg mit den askanischen Fürsten über die Theilung der Mark nach Waldemar’s Tode einen Vergleich, an dem übrigens W. selbst keinen erkennbaren Antheil hatte. Anderseits suchte nun Markgraf Ludwig, der die Unmöglichkeit einsah, gegenüber so zahlreichen Gegnern die Mark ganz zurückzugewinnen, sich mit Karl auszusöhnen; er ließ daher den Gegenkönig Günther fallen und erkannte zu Ende Mai 1349 den Luxemburger als seinen Herrn an, wogegen der letztere ihn in all seinen Besitzungen und Rechten bestätigte, ohne indessen unter denselben die Markgrafschaft Brandenburg zu nennen. In der That beabsichtigte er keineswegs, ihm die letztere wirklich zu verschaffen, und erwiderte daher einige Monate später, nachdem Günther inzwischen gestorben, einigen märkischen Städten auf eine diesbezügliche, von Ludwig selbst veranlaßte Anfrage, daß er als Markgrafen von Brandenburg keinen andern anerkenne als W. und nach dessen Tode die Herzoge von Sachsen und die Grafen von Anhalt (August 1349). So blieb für die Wittelsbacher nur noch die Entscheidung der Waffen übrig. Schon früher hatten sie sich mit König Waldemar von Dänemark verbunden, der aus andern Ursachen gegen Karl IV. und den Herzog von Mecklenburg Groll trug; derselbe landete jetzt unweit Wismar, brachte den Herzog von Pommern-Stettin auf seine Seite, verheerte einen Theil des mecklenburgischen Gebietes und schickte sich dann an, die zu W. haltende Stadt Berlin zu belagern. Auch Markgraf Ludwig der Römer, der seit dem Frühling dieses Jahres seinen älteren Bruder in der Mark vertrat, gewann trotz einer schweren Niederlage, die ihm Albrecht von Mecklenburg im September bei Oberberg beibrachte, bald hernach doch weiteren Boden in der Mittelmark. Dies alles und die zu Anfang 1350[WS 1] erfolgende Aussöhnung zwischen den Wittelsbachern und zweien ihrer bisherigen Gegner, den Herrschern von Pommern-Stettin und Polen, machte auch die übrigen Helfer Waldemar’s zu einem Vergleiche mit den bairischen Markgrafen geneigt, und die letzteren fanden sich, hauptsächlich wol aus Geldmangel, hiezu bereit. Im Anfang Februar 1350 vereinigten sich daher die Fürsten von Sachsen-Wittenberg, Anhalt und Mecklenburg und die Gesandten des Erzbischofs mit den Wittelsbachern zu Spremberg in der Lausitz und compromittirten hier wegen ihrer Streitigkeiten auf König Magnus von Schweden. Des angeblichen Waldemar’s wird in diesem Vertrage nirgends gedacht, wie er [685] auch in den voraufgehenden Kämpfen in keiner Weise hervortritt; dagegen setzen nicht nur die Wittelsbacher, sondern auch die Askanier zur Bürgschaft dafür, daß sie sich der Entscheidung des Schwedenkönigs fügen würden, einige märkische Vesten zum Pfande, als seien sie bereits Landesherren daselbst. Von wem übrigens der Vorschlag ausging, zum Schiedsrichter zwischen den streitenden Parteien anstatt des deutschen den schwedischen König zu wählen, ist nicht gewiß; wenn Karl IV. hernach, wie bald zu zeigen ist, die Schuld daran ganz W. und seinen Helfern zuschob, so mag ihn hierzu in erster Linie die Absicht bestimmt haben, einen Grund zur Anklage gegen sie zu gewinnen. Denn gegenüber der Gefahr, daß die Wittelsbacher, bereits im Bunde mit Dänemark, sich nun auch mit ihren Gegnern hinter seinem Rücken aussöhnen möchten, hatte er nunmehr den Entschluß gefaßt, ihnen wenigstens scheinbar zu willen zu sein, zumal sie noch im Besitze der für ihn wichtigen Reichskleinodien waren. So beschied er die zu Spremberg versammelten Fürsten sofort zu sich nach Bautzen und übertrug hier dem Pfalzgrafen Ruprecht, einem Bruder seines Schwiegervaters und Freund Ludwig’s, die Entscheidung in dem Streit zwischen ihm und dem letzteren. Ruprecht erklärte darauf am 14. Februar 1350 nach dem Urtheilsspruche eines Gerichtshofes, der diesmal meist aus Anhängern Ludwig’s bestand, daß „der, der sich nennt Waldemar, Markgraf von Brandenburg“ und seine Helfer in ihrem Streite mit dem „Markgrafen“ Ludwig zum Schaden des Reiches die Entscheidung des Schwedenkönigs angerufen, auch ohne Wissen und Erlaubnß des römischen Königs die Mark an sich gerissen und getheilt hätten, daß ferner eine Anzahl Fürsten und Edler (meist wiederum Anhänger Ludwig’s) bekundet hätte, sie würden erfordertenfalles eher die Unechtheit als die Echtheit des angeblichen W. beschwören. Daher solle Karl dem letzteren, zur Entscheidung über seine Authenticität durch den König und die Fürsten des Reiches, einen Rechtstag zu Nürnberg auf den 6. April 1350 ansetzen, jetzt gleich zu Bautzen aber dem Wittelsbacher nach seinem Verlangen die Mark verleihen; auch sollten alle Belehnungen, die er etwa früher zum Schaden Ludwig’s und der Seinen vorgenommen habe, null und nichtig sein. Wenn W. oder die zu seiner Untersuchung geladenen Fürsten auf dem Nürnberger Tage nicht erscheinen würden, so solle Ludwig „alle seine Rechte verfolgt haben“. Letzterer verpflichtete sich dagegen dem Könige zu einer Anzahl Gegenleistungen. – Es ist bezeichnend, daß W. hier zum Mitschuldigen bei Handlungen gestempelt wird, an denen er persönlich kaum irgendwelchen Antheil gehabt hatte, und daß ihm schon hier, noch vor der Untersuchung über seine Echtheit, die Mark zwar nicht ausdrücklich aber thatsächlich genommen wird; man sieht, daß auch Karl ihn nur als Werkzeug für seine politischen Pläne betrachtete. Uebrigens war es dem Luxemburger auch jetzt schwerlich im Ernste darum zu thun, seine alten Gegner in den thatsächlichen Besitz der Mark zu bringen, den er vielmehr schon damals für sein eigenes Haus ins Auge gefaßt haben mag. Allerdings belehnte er nun am 16. Februar Ludwig den Aelteren und seine Brüder Ludwig den Römer und Otto in aller Form mit jenem Lande, und als der angebliche W., wie sich voraussehen ließ, auf dem Nürnberger Hoftage am 6. April nicht erschien, erklärte er ihn auf einen erneuten Spruch des Pfalzgrafen definitiv für unecht, wies die drei Wittelsbacher Brüder „in den Nutzen und die Gewere“ der Mark und beauftragte ihre Schwäger, die Markgrafen von Meißen, mit der Einweisung der Neubelehnten in ihr Gebiet. Aber hierbei beließ er es auch, und da weder die Askanier und der Erzbischof, noch auch die zu ihnen und zu W. haltenden Insassen der Mark sich an diese Entscheidung kehrten, so mußten die Wittelsbacher ihr Recht nach wie vor mit dem Schwerte zu erringen suchen. Der Krieg entbrannte aufs neue und zog sich, wenn auch mit zeitweiligen Unterbrechungen, noch bis in die Mitte der 50er Jahre [686] hin. Für die Lebensgeschichte des angeblichen W. sind diese Ereignisse, über die wir nur sehr wenige Nachrichten besitzen, nicht mehr von Bedeutung, da er bei denselben nirgends hervortritt. Es scheint fast, als ob er schon seit 1350 bei den Anhalter Grafen zu Dessau in völliger Zurückgezogenheit gelebt hat, wenigstens haben wir nach dem Frühling dieses Jahres nur noch eine, bald zu erwähnende Urkunde von ihm, die im März 1355 zu Dessau ausgestellt ist, auch berichtet eine Chronik, daß er dort die letzte Zeit seines Lebens zugebracht hat. Wenn gleichwol manche Theile der Mark noch Jahre hindurch den Wittelsbachern widerstanden haben, so erklärt sich dies hinlänglich aus ihrer bisherigen Haltung, zumal Ludwig und seine Brüder noch im Kirchenbann standen, ferner aus der Verwilderung, die infolge des langen Krieges und des Schwarzen Todes seit 1348 in der Mark herrschte, und aus der Art der damaligen Kriegführung, welch letztere zwar der niederen Bevölkerung auf dem Lande unendliche Leiden, dem Adel und selbst dem Bürgerthum aber relativ geringe Nachtheile und oftmals selbst Nutzen brachte. – Allmählich aber gewannen die Wittelsbacher doch mehr und mehr Terrain, und gleichzeitig machte sich die schwere finanzielle Erschöpfung, die bei ihren Gegnern wie bei ihnen selbst schon frühzeitig begonnen hatte, immer fühlbarer geltend. So einigte man sich endlich in den Jahren 1354 und 1355 in einer Reihe von Friedensschlüssen dahin, daß die bairischen Markgrafen die Mark mit Ausnahme einiger kleiner Gebiete für sich erhalten, dafür aber ihren bisherigen Gegnern erhebliche Entschädigungssummen zahlen sollten. Der angebliche W. scheint auch diesen Verträgen, die zum größeren Theile nicht mehr erhalten sind, völlig ferngestanden zu haben, auch haben die Wittelsbacher begreiflicherweise mit ihm, dessen Echtheit sie nie zugegeben hatten, kein besonderes Abkommen getroffen. Doch findet sich von ihm, wie erwähnt, eine Urkunde vom März 1355, worin er, noch unter dem Titel „V. G. Gn. Markgraf von Brandenburg“ den Städten Brandenburg und Görtzke, die bis dahin noch zu ihm gehalten hatten, ihre Huldigung erläßt, ihnen seinen Dank ausspricht und sie an die Wittelsbacher verweist. Es ist dies das letzte Lebenszeichen, das wir von ihm haben; im folgenden Jahre soll er zu Dessau gestorben und von den Anhalter Grafen mit fürstlichen Ehren bestattet worden sein.

Ueber die Echtheit des angeblichen W. hat sich oftmals Streit erhoben. Gewiß ist, daß zahlreiche Personen, die ihn gesehen haben, an seine Authenticität geglaubt und mit Hartnäckigkeit hieran festgehalten haben, indessen ist dergleichen auch in anderen Fällen geschehn, wo es sich nachweislich um eine untergeschobene Person handelte. Dies letztere trifft allerdings für den angeblichen W. insofern nicht zu, als ein positiver und zuverlässiger Beweis für seine Identität mit einer dritten Person nicht zu führen ist; alles, was in dieser Beziehung vorgebracht worden ist, beruht auf Gerüchten und Vermuthungen. Gleichwol ist es sicher wolgegründet, wenn die allgemeine Ansicht heutzutage, wie zum überwiegenden Theile auch fast in allen früheren Zeiten, seine Echtheit leugnet. Unter den zeitgenössischen Schriftstellern ist nicht einer, der mit voller Bestimmtheit für dieselbe eintritt, dagegen bezeichnen die weitaus meisten ihn als eine von den Nachbarfürsten der Mark bezw. von Karl IV. untergeschobene Person, ohne freilich zwingende Beweise dafür zu geben. Solche aber liefert offenbar die Geschichte seines Auftretens, wobei zudem die Wahrscheinlichkeit hervortritt, daß wir in ihm nicht einen Betrüger, sondern einen in gutem Glauben handelnden Irrsinnigen zu erblicken haben, dessen fixe Idee von Anderen zu politischen Zwecken ausgenützt wurde.

Die Urkunden bei Riedel: Cod. Dipl. Brand. An erzählenden Quellen kommen vornehmlich in Betracht: 1) für den echten W.: Die Chronik des Böhmen Pulkawa bei Riedel, C. D: Br. IV. 1. S. 1 ff.; Chron. march. [687] Brand., ed. Sello in F. z. brand. u. preuß. Gesch., Bd. I, 1. S. 117 ff.; Gesta archiep. Magd. MG. SS. XIV.; Magdeburger Schöppenchronik, ed. Janicke in Chron. der deutschen Städte, Bd. 7; Chron. Detmar’s, ed. Koppmann ibid., Bd. 19; Ernst von Kirchberg’s mecklenburgische Reimchronik, ed. Westphalen, Mon. Ined. I; von der Hagen: Minnesänger III; Thomas Kanzow: Pomerania. – 2) Für den falschen Waldemar cf. K. F. Klöden: Diplomat. Gesch. des für falsch erklärten Waldemar (Berlin 1845) Theil 2, S. 336 ff., wo alle Quellenberichte zusammengestellt sind. – Bearbeitungen: Klöden: Diplomat. Gesch. des Markgrafen Waldemar, 4 Thle., Berlin 1844/45; die beiden letzten Theile unter dem vorgenannten Titel (Kl. glaubt an die Echtheit des angeblichen W. und sucht dieselbe zu erweisen, doch tritt die Haltlosigkeit seiner diesbezüglichen Schlüsse deutlich zu Tage).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1250