ADB:Elisabeth (Kurfürstin von der Pfalz)

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Artikel „Elisabeth Stuart“ von Arthur Kleinschmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 19–22, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Elisabeth_(Kurf%C3%BCrstin_von_der_Pfalz)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 04:05 Uhr UTC)
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Elisabeth Stuart, die älteste Tochter König Jakobs VI. von Schottland (nachmaligen Königs Jakob I. von Großbritannien) und der Anna von Dänemark, geb. am 19. August 1596, † 1662. Ihre Erziehung wurde in streng protestantischem Geiste geleitet und die innigste Liebe verband sie mit ihrem ältesten Bruder Henry. Als sie von ihm 1603 getrennt und in das Haus des würdigen Sir John Harrington gegeben wurde, um auf Combe Abbey bei diesem und seiner gütigen Gemahlin aufzublühen, war dies ein entsetzlicher Schlag für das junge Gemüth. Bald aber fand sie sich in die Reize des neuen Lebens, fröhliche und vertraute Gespielinnen umgaben sie, Lady Harrington hegte sie wie eine Mutter, während die Königin für sie ziemlich wenig Zärtlichkeit bewies, ihre Schönheit entfaltete sich und das lebhafte und freundliche Fürstenkind gewann die Herzen im Fluge. 1605 dachten die berüchtigten Pulververschwörer daran, sie zu ergreifen und nach der Ermordung des Vaters auf den Thron zu setzen. Frühe zeigte E. bedeutende Anlagen, sie studirte die französische Sprache und sprach und schrieb sie später mit großer Leichtigkeit. Kaum war E. zur Jungfrau geworden, so dachte man an ihre Vermählung, von Schweden und Savoyen wurden Schritte gethan, aber trotz der Einsprache der Mutter, die nur einen König zum Schwiegersohne wollte, entschied man sich für das Haupt des Protestantismus in Deutschland, den mit E. ganz gleichalterigen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz; für ihn sprachen der Herzog von Bouillon und Moritz von Nassau. Er sandte nun Bevollmächtigte nach London, diese setzten den Ehevertrag den 17. Novbr. 1612 fest, dann kam Friedrich selbst und ihr Herz gehörte bald dem ritterlichen Manne, der seit März 1612 mit ihr in Briefwechsel gestanden. Feste auf Feste wurden in England veranstaltet, das Volk jubelte der Verbindung des Königshauses mit dem streng protestantischen Pfälzer zu, der nach dem frühen Tode des Lieblingsbruders Elisabeths, des Prinzen Henry von Wales, dem Könige wie ein Ersatz vom Himmel erschien; vergebens suchten die katholische Partei, auf Spanien vertrauend, und die Königin das Bündniß zu hintertreiben. Die Heirath fand in London am 14. Febr. 1613 mit großem Pompe statt, die Reise Elisabeths bis Heidelberg, wo sie am 17. Juni eintraf, war ein Triumphzug, der viele Hunderttausende verschlang. Lust und Frohsinn erfüllten jetzt die Hallen des herrlichen Schlosses, aber es zog mit E. auch eine übertriebene Pracht- und Prunkliebe ein, zu der sie wie ihr Gemahl hinneigte, ein enormer Hofstaat umgab sie, ein sorgloser französischer Ton zog heran und bald verschlang der Hof den Staat Friedrichs V. Das junge Paar lebte im Vollgenusse des Glückes, lebenslang verband sie die zärtlichste Liebe und Treue und 13 Kinder entsprossen dem Bunde. Das J. 1619 kam heran und mit ihm die Wahl Friedrichs V. zum Könige von Böhmen; im vollen Gegensatze zu den Befürchtungen ihrer Schwiegermutter Louise Juliane drang E., von jugendlichem Ehrgeize beseelt, in den zögernden Gatten, die Wahl [20] anzunehmen, die Protestantin freute sich des günstigen Augenblickes, der spanisch-österreichischen Weltmacht ein Kleinod entreißen zu können. Im October 1613[1] verließ E. mit Friedrich die schöne Pfalz für immer und am 31. Octbr. zogen beide in Prag ein, am 4. Novbr. wurde er, am 6. Novbr. sie gekrönt. Rasch gewann E. sich die Neigung des böhmischen Volkes, wenn sie auch den Landesgebräuchen fremd gegenüber stand, ihre Anmuth und das Imponirende ihres Erscheinens machten Eindruck auf die Unterthanen. Doch schon stürmte das Unglück über das „Winterkönigthum“ herein, die Schlacht am weißen Berge kostete Elisabeths Gemahl Böhmen, am 8. Novbr. 1620, während die Pfalz von den Kaiserlichen überschwemmt wurde. Hochschwanger floh E. mit dem trostlosen Gatten nach Schlesien, von da nach Brandenburg. Hier kostete es ihr große Mühe, von dem furchtsamen Kurfürsten Georg Wilhelm, ihrem Schwager, eine Stätte zur Niederkunft zu erlangen, in Küstrin gebar sie am Weihnachtstage ihren Sohn Moritz. Bald wurde dem königlichen Paare auch hier das Asyl gekündigt, über Berlin und Wolfenbüttel eilten E. und Friedrich, land- und mittellos, nach dem Haag im April 1621. Elisabeths erbärmlicher Vater schwatzte viel, that aber nichts, um seinem Schwiegersohne aufzuhelfen, und überließ ihn und E. dem Mitleide der Generalstaaten. Friedrich war in der Reichsacht, seiner Väter Erbe in den Händen der Kaiserlichen, Spanier und Baiern und 1623 wurde die Kur auf Baiern übertragen. Kaum war Elisabeths Vater zu Geldsubsidien zu bewegen und die arme Königin-Kurfürstin aß das bittere und salzige Brot der Verbannung aus fremder Hand. Um sie und den König versammelten sich gerne die ersten holländischen Großen, ihre einfache und würdige Gesellschaft hatte etwas Reizvolles, auch eifrige Protestanten aus Britannien schaarten sich um die resignirten Exilirten im Dorfe Rhenen bei Utrecht, deren einzige Genüsse die Jagd und der Gartenbau waren. Währenddem stritten ritterliche Kämpfer in Deutschland für Friedrichs Sache und Christian von Braunschweig steckte Elisabeths Handschuh auf den Hut und schwur ihn nicht abzunehmen, bis ihr Gemahl von ihm wieder in alle Lande eingesetzt sei, auf seinen Fahnen stand: „Tout pour dieu et pour elle“; aber ihn und Mansfeld raffte das Jahr 1626 hinweg, 1632 starb der mit Jubel begrüßte Gustav Adolf vor Lützen und die letzte Hoffnung ward mit ihm begraben. Schlag auf Schlag traf die Königin, 1629 verunglückte der Kurprinz, indem das Schiff bei Haarlem umschlug, 1631 starb ein dreijähriges Töchterchen, endlich entriß der Tod E. am 29. Novbr. 1632 den vergötterten Gemahl; Gustav Adolf wollte er zum Siege folgen und folgte ihm jetzt zum Tode. Ueberall suchte nun die Wittwe das Interesse an dem Loose ihrer Kinder wach zu rufen, mit Wilhelm von Hessen warb sie im Juli 1633 ein kleines Heer, um die Pfalz zu besetzen, sie setzte alle Hebel in Bewegung, um ihren egoistischen Bruder, König Karl I., zu entscheidenden Schritten in Wien zu bewegen, und mit Entsetzen erfuhr die Schwergeprüfte mitten in ihrer Thätigkeit den Abschluß des Prager Friedens 1635. Alle ihre ruhelosen Nächte waren umsonst durchwacht, alle ihre Hoffnungen wurden abermals getäuscht, denn ihr Bruder that nichts und ihr nun ältester Sohn Karl Ludwig vertändelte seine Zeit bei ihm und kam ohne Resultat im Februar 1639 zurück nach Holland, Richelieu zog gleich darauf die Armee Bernhards von Weimar, die der Sohn für seine Sache miethen sollte, in französischen Sold, E. aber, ohne alle Stütze, hing in Holland von dem guten Willen der Krämer ab, ob diese ihr ein Darlehen machen wollten, während in England die Revolution ihrem Bruder den Thron wegzureißen drohte. Der Verkehr mit ihren Kindern, zumal mit den Töchtern, war Elisabeths höchster Trost und mit Entzücken sah sie, wie unter der Berührung mit ihrem Freunde Cartesius der reiche Geist der Prinzessin Elisabeth sich erschloß. Daß sie sich mit dem ihr aufrichtig [21] ergebenen und sie oft in ihrer Noth unterstützenden Lord William Craven in heimlicher Ehe verbunden habe, scheint eine Fabel zu sein, für diese Annahme spricht wenigstens das Fehlen jedes glaubwürdigen Zeugnisses, einzig wahre Hochachtung und Theilnahme schloß ein dauerndes Freundschaftsband zwischen ihm und der Königin. Mehrere ihrer Söhne zogen jetzt nach England, um mit König Karl I. gegen die Revolution zu kämpfen, mit ganzem Herzen interessirte sich das edle Weib für die verlorene Sache des kaltherzigen Bruders; Entsetzen erregten ihr seine Niederlagen, seine Gefangenschaft, sein Proceß, endlich seine Hinrichtung; sie fühlte tief, wie die Stuarts, die modernen Labdakiden, vom Schicksale verfolgt wurden von Geschlecht zu Geschlecht – mit der Entthronung ihres Bruders fiel auch ihre englische Pension weg und ihre Tochter Elisabeth verließ sie jetzt, um ihren Haushalt zu erleichtern, und ging nach Berlin. Ein neuer Schlag für E., diese entschiedene Protestantin, welche alles eher erdulden mochte, als ihrem Glauben untreu zu werden, war 1645 der Uebertritt ihres Sohnes Eduard zum Katholicismus, ein Schritt, den 1658 ihre Tochter Louise Hollandina nachahmte. Endlich im westfälischen Frieden empfing Elisabeths Kurprinz, Karl Ludwig, die Rheinpfalz zurück und eine achte Kur wurde für ihn geschaffen, die ihm gebührende erste weltliche Kur und die Oberpfalz blieben bei Baiern; E. versprach der Kaiser 20000 Thlr. Wittthum. Während unter Karl Ludwig Staat, Kirche und Universität aufblühten, fuhr E. fort zu darben, die holländischen Kaufherren erlahmten in ihrer Unterstützung, ihre Gläubiger bedrängten sie und Karl Ludwig kargte gegen eine solche Mutter, gab ihr jährlich nur 6000 Thlr. Die republikanische Partei in Holland, welche jetzt herrschte, nahm an der Königin von Böhmen kein Interesse und liebäugelte mit Cromwell, und doch sah sich die feinfühlige Fürstin gezwungen, von ihrer Gnade zu leben. Ihr Sohn legte ihr Hinderniß auf Hinderniß in den Weg, um sie von Heidelberg oder Frankenthal, woran sie dachte, ferne zu halten. Und immer gewaltsamer brach das Schicksal über die Königin herein. Kränkte sie die Herzlosigkeit des Kurfürsten bitter, so beugte sie das Verschwinden und dann der schon erwähnte Uebertritt ihrer Tochter tief, eine andere Tochter, Henriette Maria, starb, kaum nach Siebenbürgen vermählt, Philipp, jetzt der jüngste Sohn, fiel 1650 in lothringischen Diensten bei Rethel, Moritz, sein Bruder, durchstreifte die Meere und verscholl 1652, und Ruprecht, der Lieblingssohn Elisabeths, „der königliche Korsar“, führte ein Seeräuberleben, gegen die Flotten des meerbeherrschenden Cromwell kämpfend. Noch einmal leuchtete dem Hause Stuart ein günstiger Stern, es erfolgte seine Restauration auf den Thron Eduards III. E. befriedigte ihre holländischen Gläubiger, inständig beschwur sie ihren Neffen Karl II., ihr den Aufenthalt in England zu gestatten, der gefühllose Verwandte zauderte, gab aber nach und E. verließ den Boden Hollands, dessen Gastfreundschaft sie 40 Jahre genossen, um am 17. Mai 1661 den Boden der Heimath wieder zu betreten. Fremd war ihr England geworden, fremd die Gesellschaft, in der sie leben mußte, nur Lord Craven war der alte Freund geblieben und er umgab sie in Drury-House in London mit jedem Comfort, während er im Stile des Heidelberger Schlosses in Berkshire ein Palais für sie baute, welches vor der Vollendung niederbrannte. E. war nur nach der Heimath gekommen, um da, wo ihre Wiege stand, ihr Grab zu finden. Ihr Tod, welcher in London am 13. Febr. 1662 eintrat, blieb fast unbeachtet, nur bei ihrem Begräbnisse in der Westminster-Abtei am 1. März 1662 entfaltete das neue Königthum den altgewohnten Pomp, um des eitlen Schauspiels willen. So starb „die Perle von England“, eine der rührendsten Erscheinungen der Geschichte, ohne ahnen zu können, daß ein halbes Jahrhundert später ihr Enkel, Kurfürst Georg I. von Hannover, [22] einzig aus Rücksicht auf seine Abstammung von ihr, den englischen Thron besteigen und eine neue Epoche der englischen Geschichte begründen werde.

Söltl, Der Religionskrieg in Deutschland, Bd. I u. II, Hamburg 1846. Miß Benger, Memoirs of Elizabeth Stuart, queen of Bohemia, 2 Bde., London 1825. Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, Bd. II, Heidelberg 1845. v. Hurter, Geschichte Kaiser Ferdinands II., Schaffhausen 1857–58.[2]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 20. Z. 2 v. o. l.: 1619 (st. 1613). Die Pfalzgräfin Elisabeth schreibt sich selbst: Elizabeth. Ebenso ihre Tochter. [Bd. 11, S. 794]
  2. S. 22. Z. 6. v. o. hinzuzufügen: Wittich, Christian der Halberstädter und die Pfalzgräfin Elisabeth. Zeitschrift für preuß. Gesch. Jahrg. 1869. S. 505 ff. – Opel, Histor. Zeitschrift XXIII, 289 ff. [Bd. 33, S. 795]