ADB:Agnes

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Artikel „Agnes“ von Theodor Lindner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 138–140, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Agnes&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 16:45 Uhr UTC)
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Agnes von Poitiers, Gemahlin Kaiser Heinrichs III., war die Tochter Herzog Wilhelms V. des Großen von Aquitanien, des mächtigsten Herren im Westfrankenreiche, † 1077. Da Heinrichs III. erste Gemahlin, die Dänin Gunhild, am 18. Juli 1038 in Italien gestorben war, schritt der König zu einer neuen Ehe mit A.; wie es scheint, wurde dieselbe durch Vermittlung der Cluniacenser zu Stande gebracht. Nachdem Heinrich im Oct. 1043 seine Braut an den Grenzen Burgunds empfangen, wurde dieselbe in Mainz gekrönt und Ende Nov. die Hochzeit mit ungewöhnlicher Pracht in Ingelheim gefeiert. Als Heinrich 1046 nach Italien zog, begleitete ihn A. und empfing mit ihm am Weihnachtstage in Rom durch Papst Clemens II. die kaiserliche Krone. Sie gebar zunächst drei Töchter: Mathilde, welche 1059 mit dem Herzoge Rudolf von Schwaben vermählt wurde, aber schon ein Jahr später starb, Judith oder Sophie, welche in erster Ehe den König Salomo von Ungarn († 1097), in zweiter den Herzog Wladislaw I. von Polen zum Gemahl hatte, und Adelheid, die Aebtissin von Quedlinburg wurde; endlich am 11. Nov. 1050 wurde Heinrich IV. geboren, ein zweiter Sohn, Konrad (1052), starb nach drei Jahren. – Nach dem Tode [139] Heinrichs III. (5. Oct. 1056) fiel A. die schwere Aufgabe zu, die Regentschaft des Reiches als Vormünderin ihres Sohnes zu führen; Papst Victor II., dem der sterbende Herrscher die Sorge für Weib und Kind anvertraut hatte, stand ihr treu zur Seite, starb aber bereits im Juli 1057. A. war schön und gebildet, aber von sanftem und weichem Charakter; sie war durchaus nicht im Stande, die Herrschaft mit dem nöthigen Nachdruck zu führen. Sie versuchte daher, durch Nachgiebigkeit die Fürsten zu gewinnen und die Ruhe im Reiche zu wahren. Dem Herzog Gottfried dem Bärtigen von Oberlothringen wurde bereits im J. 1056 die reiche Erbschaft seiner Gemahlin Beatrix, der Wittwe des Markgrafen Bonifacius von Toscana zugestanden und zugleich, wie es scheint, der künftige Besitz von Spoleto, Camerino und Niederlothringen zugesichert. Das Herzogthum Baiern, welches ihr Heinrich III. übergeben hatte, gab sie 1061 aus ihrer Hand an Otto von Nordheim, Schwaben erhielt 1057 Rudolf von Rheinfelden, den A. noch durch verwandtschaftliche Bande an die Königsfamilie zu knüpfen suchte, Kärnthen 1061 Berthold von Zähringen, alles Männer, welche späterhin die Hauptgegner Heinrichs IV. waren. Unselbständig, wie die Kaiserin war, scheint sie meist dem Rathe der Fürsten gefolgt zu sein, außerdem war sie leicht geneigt, Günstlingen allzuviel Einfluß zu gestatten; eine Zeit lang stand ihr Bischof Günther von Bamberg nahe und später besonders der Bischof Heinrich von Augsburg. Nach außen hin war die Regentschaft der Kaiserin unglücklich. Ihr Schwiegersohn Salomo wurde aus Ungarn vertrieben, nachdem ein ihm zur Hülfe gesandtes Heer geschlagen worden war; auch die italienischen Verhältnisse nahmen durch Agnes’ Energielosigkeit eine üble Wendung. Nachdem Gottfrieds Bruder, Papst Stephan X., dessen Ernennung A. nachträglich gebilligt hatte, gestorben war, wurde mit ihrer Einwilligung Nicolaus II. erwählt und dessen vom römischen Stadtadel erhobener Gegenpapst Benedict verdrängt. Nicolaus belehnte die Normannen mit Apulien und Calabrien; vielleicht deshalb wurde er im Sommer oder Herbst 1060 von einer deutschen Synode abgesetzt. Aber man that keine Schritte, durch Ernennung eines Nachfolgers der Maßregel Geltung zu verschaffen. Als dann Alexander II. ohne Genehmigung der Kaiserin mit Hülfe der Normannen den päpstlichen Stuhl bestieg, ließ dieselbe zwar am 28. Oct 1061 in Basel den Bischof Cadalus von Parma zum Papste erheben, war aber nicht im Stande, denselben nach Rom zu führen und Alexanders Sturz zu bewirken. Die Schwäche, welche A. an den Tag legte, veranlaßte endlich eine Verschwörung der deutschen Großen, an deren Spitze der Erzbischof Anno von Köln stand; das Regiment der Kaiserin sollte gestürzt werden, das der Fürsten an seine Stelle treten. So wurde denn im Mai 1062 in Kaiserswerth Heinrich seiner harmlosen Mutter geraubt. Nichts beweist klarer die Hülflosigkeit der Kaiserin, als der Umstand, daß sie keinen Versuch zum Widerstande machte; sie zog sich auf ihre Güter zurück und gab sich ganz frommen Uebungen hin, denen sie sich schon früher zugeneigt hatte. Bald begab sie sich über das Kloster Fructaria nach Rom, nachdem sie damals oder schon früher den Schleier genommen. Hinfort hat A. keinen wirksamen Einfluß mehr auf die deutschen Geschicke ausgeübt, wenn sie auch noch öfters über die Alpen kam. So finden wir in den ersten Zeiten der Selbständigkeit Heinrichs IV. (1065) häufig ihren Namen in den Urkunden genannt, auch 1067 war sie in Deutschland; 1072 erschien sie, begleitet von einer großen Schaar von Mönchen, um Heinrich mit Rudolf von Schwaben auszusöhnen und ebenso 1074 in Begleitung der päpstlichen Legaten. Wahrscheinlich wollte sie damals ihren Sohn den Wünschen und Forderungen Gregors VII. günstig stimmen. Denn wie A. schon früher die engsten Beziehungen zu Cluny gehegt hatte, so schloß sie in Rom sich völlig dem Kreise Hildebrands an; ihr vertrauter [140] Freund war der Cardinal Peter Damiani, jener strenge Eiferer für Askese, von welchem wir noch mehrere an sie gerichtete Briefe besitzen. So sehr beherrschten die religiösen Gedanken die Kaiserin, daß sie selbst jener Fastensynode am 22. Febr. 1076 beiwohnte, auf welcher Gregor den Bannfluch gegen ihren Sohn schleuderte. Nachdem sie noch den Tag von Canossa und die Wahl Rudolfs zum Gegenkönige erlebt hatte, erlag ihr von Fasten und Kasteiungen fast ganz aufgezehrter Körper einem Fieberanfall, am 14. Dec. 1077; sie wurde in St. Peter, in der Kapelle der heiligen Petronella bestattet.